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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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hinter ihm.
    Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie beide im Verlauf des Abends im Bett landen würden. Aber hatte er es nicht drauf angelegt? Was sonst hatte er sich von diesem Besuch erhofft? Thomas Keane auf einem Silbertablett?
    Dabei hatte sie es ihm sogar leicht gemacht. Nein, wenn er ehrlich war, wirklich ehrlich war, dann hatte er es ihr leicht gemacht. Sie hatte ihn überrumpelt. Sicher, der Wein hatte seinen Teil beigetragen, aber er war nicht zu betrunken gewesen, um zu verhindern, was sich anbahnte.
    Nein, er war ihr willig gefolgt wie der Seemann, den die Meerjungfrau ins Verderben zieht. Und nie war das Verderben schöner gewesen …
    Er war leicht zu verführen.
    Susan hatte ihn längst durchschaut. Vielleicht hatte er deshalb kein schlechtes Gewissen. Schließlich kannte sie seine Schwächen in- und auswendig. Und hatte ihn genau darum letzten Endes vor die Tür gesetzt. An ihrer Stelle hätte er vermutlich exakt das Gleiche getan. Fin konnte es drehen und wenden, wie er wollte, es gab keine Zukunft für ihn und Susan. Und es lag nicht an ihr. Er würde sich nie ändern, und das, was letzte Nacht passiert war, konnte jederzeit wieder passieren.
    Im Augenwinkel nahm er eine Bewegung wahr. Ein rostroter Schatten war auf lautlosen Pfoten über die Stiege heraufgeschlichen und stand nun vor ihm; die Schwanzspitze zuckte unschlüssig hin und her, während ihn die grünen Augen mit freundlichem Desinteresse musterten, durchaus bereit, sich mit ihm abzugeben, wenn sich nicht vorher noch ein besserer Zeitvertreib bot.
    Das Schlafzimmer war dunkel gewesen, die Vorhänge bis auf den kleinsten Spalt zugezogen. Sie hatte kein Licht gewollt. Um keinen Preis. Er hatte ihren Körper im Dunkel erahnen, ihre schlanke sehnige Figur ertasten müssen. Er hatte bisweilen eine Unsicherheit gespürt, für den Bruchteil einer Sekunde. Das war nicht weiter verwunderlich, schließlich waren sie einander vollkommen fremd. Aber immer war sie es gewesen, die nach kurzem Zögern bestimmte, wo es langging. Vielleicht stimmte es ja, dass Alkohol Menschen beim Sex willenlos machte, jedenfalls hatte er durchaus nichts dagegen, sich führen zu lassen. Dort, wo er sonst gewohnt war, den Takt anzugeben, war sie es, die ihn verführte, und sie schien genau zu wissen, was ihm gefiel. Geradeso als ob sie einander seit Jahren vertraut waren.
    Da war es wieder, dieses geheimnisvolle Déjà-vu.
    Der Wind hatte ihn am Morgen geweckt, hatte Regenböen gegen das Fenster gepeitscht. Im dämmrigen Licht betrachtete er die Schlafende neben sich. Er hatte gar nicht gemerkt, dass sie sich ein Hemd übergezogen hatte. Ein Herrenhemd, mindestens drei Nummern zu groß, mit langen Ärmeln. Sehr langen Ärmeln. Trotzdem entdeckte er sie, die Narben an ihren Handgelenken, untrügliche Narben, die von tödlicher Entschlossenheit erzählten. Sanft strich er darüber. Wie im Reflex entzog sie sich seiner Berührung, die Arme verschwanden unter der Decke. Sie seufzte kurz und träumte weiter.
    Fin erschrak. Eine Möwe schoss dicht am Fenster vorbei, eine heftige Böe ließ die Fensterscheibe zittern. Das Gras auf der Insel lag flach am Boden. Bei jeder Welle, die sich an den Felsen brach, glaubte er die Erschütterung bis in den Turm hinauf zu spüren.
    Irgendwo im Haus klappte eine Tür, ein Schrank in der Küche. Wie ein roter Blitz war die Katze verschwunden.
    Ein paar Minuten später kroch Musik durch die Spirale der Wendeltreppe zu ihm herauf, hallte von den weißgetünchten Wänden wider. Keine Orgel dieses Mal. Eine leise Gitarre. Eine Stimme setzte ein. Fin erkannte Robert Plant. Ein eher langsameres Stück von   Led Zeppelin .
    Susan mochte   ABBA . Wie hatten sie es so lange miteinander ausgehalten?
    Schritte kamen die Treppe herauf. Charlie tauchte auf, zwei Tassen in der Hand. »Kaffee ist alle. Ich hoffe, du trinkst auch Tee.« Sie reichte ihm einen dampfenden Becher.
    Fin fragte sich, ob sie das Pferd nahm oder das Motorrad, wenn sie einkaufte.
    Sie trug Jeans, ein weites Männerhemd darüber, nur flüchtig zugeknöpft. Darunter nichts. Sie hatte wenig Busen, das hatte er in der Nacht festgestellt. Ganz anders als Susan. Sie war überhaupt in vielerlei Hinsicht anders als Susan.
    Fin nippte vorsichtig an seiner Tasse. Der Tee war heiß und milchig. Mit viel Zucker.
    »Bei Westwind spritzt die Gischt schon mal bis hoch an die Scheiben.« Sie stand neben ihm am Fenster und beobachtete das Meer. Die meterhohen Wellen, die eine nach der anderen

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