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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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hinauf. Wieder bemerkte Fin, dass sie das rechte Bein kaum merklich nachzog. Er sah eine Chance für einen Themenwechsel. »Warum hinkst du eigentlich?« Nicht eben höflich, dafür direkt.
    Es dauerte bis zum Ende der Treppe, ehe er eine Antwort bekam.
    »Alte Geschichte.«
    »Ah ja?« Sie kannte offenbar viele alte Geschichten.
    Er lief hinter ihr her über die Wiese. Die dunkle Laterne des Leuchtturms war nach wie vor ein irritierender Anblick.
    »Motorradunfall. Vor fünf Jahren.«
    Er hielt sie für eine schlechte Lügnerin. Wahrscheinlich hatte ihr Ex sie verprügelt. Oder schlimmeres mit ihr angestellt. Er beobachtete sie, wie sie in ihren Gummistiefeln durch das hohe Gras stakte. Fragte sich, ob sie immer bei der gleichen Version blieb.
    »Hör mal, Charlotte … Charlie.«
    »Ja?« Sie sah ihn nicht an.
    »Wenn du Hilfe brauchst …«
    »Hilfe?« Sie blieb so abrupt stehen, dass Fin beinahe in sie hineingelaufen wäre. Sie drehte sich um und tippte sich an die Brust. »Ich?«, schnappte sie und musterte seine derangierte Erscheinung von oben bis unten. »Wenn hier einer von uns beiden Hilfe braucht …« Den Rest des Satzes nahm sie mit die Treppe hinauf ins Haus.
    Fin knirschte mit den Zähnen und schlich hinterdrein.
    Die Katze maunzte eine Begrüßung. Heftete sich an seine Fersen, als er sich mit bleischweren Beinen die Treppe im Leuchtturm hinaufschleppte und im Flur stehenblieb.
    »Sieh zu, dass du die nassen Klamotten vom Leib kriegst!«
    Er hörte sie in der Küche hantieren. Torfbriketts plumpsten in den Ofen, ein Blechkessel knallte auf die Herdplatte.
    Fin lauschte auf andere Geräusche. Auf weitere Besucher. Auf jemanden, der gerade nach dem Schlüssel zu einem schwarzen Geländewagen griff, um sich davonzumachen. Doch ihre Unbefangenheit schien nicht gespielt. Sie waren allein im Haus.
    Er schnüffelte. Ein schwacher Nikotingeruch zog durch die Räume. Oder bildete er sich das nur ein?
    »Du stehst ja immer noch rum!«
    Sie scheuchte ihn ins Schlafzimmer. Riss ihm im Gehen die Jacke herunter und warf sie an die Garderobe, die sie knapp verfehlte. Sie half ihm mit Schuhen und Hose, beides landete klatschnass in einer Ecke. Er knöpfte sein Hemd auf, es ging ihr nicht schnell genug. Unter anderen Umständen hätte er dieser Situation durchaus etwas Reizvolles abgewinnen können, aber hier und jetzt war es ihm beinahe peinlich. Er schwankte und musste sich auf die Bettkante setzen.
    »Dich hats ganz schön erwischt.« Ihre Hand legte sich auf seine Stirn. Kalt wie ein Eisbeutel. Kalt wie ein Fisch. »Du hast Fieber.«
    »Quatsch!«, schniefte er.
    Der Wasserkessel meldete sich. Sie verschwand in der Küche.
    Fin sank in sich zusammen, hielt den Kopf mühsam auf beide Hände gestützt und rang nach Atem. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Vielleicht hatte sie ja nicht ganz unrecht …
    Charlotte kam zurück, in einer Hand eine dampfende Tasse, aus der ein Teebeutelfähnchen wehte, in der anderen ein Glas Wasser, einen Tablettenstreifen zwischen die Finger geklemmt. Sie stellte die Teetasse auf eine Kommode und drückte ihm Glas und Tablette in die Hand.
    Es gelang ihm, den Kopf zu heben und sie fragend anzuschauen. »Was ist das?«
    »Gegen Erkältung. Fieber.«
    Er betrachtete misstrauisch die Tablette, die groß wie eine 20-Cent-Münze in seiner Handfläche lag. »Für ein Pferd?«
    »Du kannst es auch bleiben lassen.«
    Das beantwortete nicht seine Frage. Aber egal, er überwand sich und würgte das Ding runter.
    Sie kam mit einem Handtuch aus dem Bad und begann, seine Haare zu trocknen. Das sanfte Rubbeln war angenehm, obwohl ihm noch immer der Schädel dröhnte. Die Augenlider fielen ihm zu. Ihm wurde schwindelig. Er musste sich an ihr festhalten. Legte seine Arme um ihre Taille.
    Seine Meerjungfrau. Er musste aufpassen, dass sie ihm nicht entglitt …
    Seine Gedanken schlugen Purzelbäume. Hatte er sie nicht etwas fragen wollen?
    Neugierige Finger gingen auf Wanderschaft. Schoben den dicken Strickpullover hoch, schlüpften unter ihr T-Shirt. Eigentlich wollte er das gar nicht, aber seine Hände führten plötzlich ein Eigenleben. Er lehnte seine Wange an ihren nackten Bauch, spürte wie seine Bartstoppeln über ihre weiche Haut kratzten. Es fühlte sich gut an. Er seufzte in ihren Bauchnabel. So ließ es sich eine Weile aushalten. Vielleicht lag es an der Tablette, die sie ihm gegeben hatte, aber er merkte, wie die Spannung allmählich von ihm abfiel.
    Nein, das stimmte nicht

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