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Die irische Meerjungfrau

Die irische Meerjungfrau

Titel: Die irische Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Roemer
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hellwach. Er kannte diese Verpackung, er wusste nur zu gut, was üblicherweise in solche Plastikfolien eingeschweißt war.
    Verärgert zerknüllte er die Folie, vergrub sie in seiner Faust. Und schaute sich um.
    Irgendwo musste das verdammte Ding sein!
    Er durchsuchte jeden Winkel im Bad, wühlte zwischen Handtüchern und schmutziger Wäsche, warf sogar einen prüfenden Blick in die Waschmaschine. Aber vergebens. Vielleicht hatte sie es durchs Klo gespült, aber das würde er wohl jetzt nicht mehr feststellen können.
    Leise schlich er zurück ins Schlafzimmer. Charlottes Körper zeichnete sich unverändert unter der Bettdecke ab, ihre entspannten Atemzüge verrieten, dass sie noch immer schlief. Mit geübtem Polizistenauge scannte er den ganzen Raum nach möglichen und unmöglichen Verstecken ab, aber irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, dass sie etwas so Kompromittierendes direkt unter seinen Augen liegen ließ.
    Barfuß tappte er in den Flur, darauf bedacht, nicht allzu viele Dielen knarren zu lassen. Die Küche war seine nächste Option. Zielstrebig steuerte er den Mülleimer an. Fast hoffte er noch, sich zu irren, als er auch schon fündig wurde.
    Da lag sie vor ihm. Zwischen nassen Teebeuteln und Eierschalen.
    Eine Einwegspritze.
    Eingetrocknete Blutspuren an der Nadelspitze.
    Sein Herz klopfte schneller. Er schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Er kannte sich mit Junkies aus, aber eigentlich machte sie nicht den Eindruck, als ob sie an der Nadel hing. Aber er wusste auch, dass manche Menschen sich geschickt verstellen konnten. Je nachdem was für ein Zeug sie sich in die Venen jagten, blieb ihre Sucht jahrelang unbemerkt. Fin überlegte, wen er im Drogendezernat kannte, der ihm weiterhelfen konnte. Denn dass Charlotte Hilfe brauchte, war ihm sofort klar, Zeugenschutzprogramm hin oder her.
    Aber vielleicht dramatisierte er die Sache auch nur unnötig. Vielleicht hatte die Spritze ja auch gar nichts zu bedeu–
    Wie bitte? Er fand eine benutzte Einwegspritze im Müll und meinte, das sei nichts Besonderes?
    Trottel!
    Wie immer suchte er nach der einfachsten aller Erklärungen. Aber für Drogen gab es keine einfachen Erklärungen, auch wenn er sie noch so sehr herbeiwünschte. Sich etwas einreden, sich falsche Hoffnungen machen, den Weg des geringsten Widerstandes zu suchen, darin war er Meister.
    Er musste der Realität ins Auge sehen. Und in dieser Realität spielten Gangster eine nicht unerhebliche Rolle. Zwei Unbekannte in einem Motorboot. Ein schwarzer Geländewagen. Die IRA. Rauschgift. Und am Ende vielleicht sogar ein Gemälde von Vincent Van Gogh.
    Da war es wieder. Dieses Gefühl zu ertrinken. Die Wellen, die hochschlugen, um ihn fortzureißen. Aber es war nicht länger ein schöner Traum.
    Mit spitzen Fingern pickte er die Spritze aus dem Müll und klappte den Deckel zu. Das Werkzeug hatte er gefunden, aber wo war der Stoff? Der Leuchtturm war groß, geradezu riesig, wenn man ein paar Gramm weißes Pulver verstecken wollte.
    Er lauschte auf ein Lebenszeichen von Charlotte, aber alles war still bis auf den steten Wind, der ums Haus strich, an Schindeln rüttelte und Fenster und Türen knacken ließ.
    Systematisch durchkämmte er die Küche, tastete die hintersten Winkel der Schränke ab, durchwühlte Lebensmittelpackungen, testete Mehl und Zucker. Als er ins Wohnzimmer kam, fiel sein erster Blick auf zwei benutzte Gläser mitten auf dem Tisch. Er wollte schon danach greifen, um aus eingetrockneten Resten Rückschlüsse auf den Inhalt zu ziehen, zog die Hand aber im letzten Moment zurück. Er würde die Gläser später mitgehen lassen; vielleicht gab es brauchbare Fingerabdrücke. Daneben ein Aschenbecher, Reste einer filterlosen Zigarette. Wahrscheinlich vom Fahrer des Geländewagens. Oder von einem der zwei Seeleute.
    Der Raum war spärlich möbliert, es gab nicht viele potentielle Verstecke. Unter dem misstrauischen Blick der Katze, die ihren angestammten Platz auf dem Sofa besetzt hielt, durchstöberte er die Bücherregale, kehrte den Inhalt der Torfkiste von unten nach oben und suchte den Dielenboden nach möglichen Geheimfächern ab. Schließlich verscheuchte er die Katze, die vor so viel Aktionismus beleidigt das Weite suchte, und grub in allen Ritzen und Stofffalten der Polster, klopfte Kissen ab und schüttelte Decken auf. Aber auch hier fand er nichts.
    Er ging zurück in den Flur und seufzte. Das Zeug konnte überall sein.
    Er öffnete die nächstbeste Tür. Der Raum dahinter

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