Die irische Meerjungfrau
auszureden. Hab ihn für verrückt erklärt. Aber er hatte seine Entscheidung getroffen. War nicht durch Geld und gute Worte davon abzubringen. Eben stur wie ein Maulesel. Immerhin hab ich ihn überredet, es erst mal … naja, auszuprobieren, ehe er was tut, was er später vielleicht bereut. Er hat dann ein paar Monate in New York gelebt. Als Frau. Es war zwar nur die äußere Hülle … Aber was soll ich sagen, er war felsenfest davon überzeugt, das Richtige zu tun.« Er schnippte die Asche in den Palmenkübel. »Was sollte ich machen? Ich hab Tommy geliebt, er war schließlich mein Bruder. Also hab ich ihm geholfen. Es fing alles relativ harmlos an mit ner Hormonbehandlung. Tabletten und Spritzen und so. Natürlich nicht hier in Irland. In den Staaten ist so was schon einfacher. Vorausgesetzt, man hat genug Geld. Und glaub mir, da ist in den letzten zehn Jahren einiges draufgegangen.«
Fin ließ ihn reden. Er war ein geduldiger Zuhörer, Familie und Kollegen hatten schon immer gerne ihren Müll bei ihm abgeladen. Beiläufig schielte er nach der Pistole, die in der Hängematte lag.
»Natürlich gabs zwischendurch Durststrecken. Zweifel. Zwei Monate nach der letzten Operation hat er einen Selbstmordversuch unternommen. Hat sich in einem Anflug von Panik die Pulsadern aufgeschlitzt. Ist gerade nochmal gutgegangen. Er war erst übern Berg, als er endlich die Papiere hatte, die ihm offiziell bestätigten, dass er nun eine Frau war.«
»Vermutlich alles Fälschungen.«
»Nicht ganz«, erwiderte Jack und spuckte einen Tabakkrümel aus, »der neue Pass ist absolut echt. Mit Stempel und allem Drum und Dran. Aber durch unsere … nennen wir es mal kriminelle Vorgeschichte mussten wir natürlich seine Vergangenheit etwas … nun ja, etwas frisieren.«
»Und die Leute hier in Foley? Wussten sie davon?«
Jack nickte. »Alle haben sie gewusst, was gelaufen war. Angefangen bei Joey MacGann, der mit auf dem Kutter war, als wir ihn eigenhändig abgefackelt haben.«
»Und sein Sohn Billy.«
Jack nickte wieder.
»Mrs. O’Grady von der Poststelle hat was von einem Ehemann in Dublin erzählt. Charlotte hat zugegeben, dass –«
»Charlie ging nach Dublin, weil er glaubte, er hätte es dort leichter. Von wegen Anonymität der Großstadt und so. Aber irgendwie fehlte ihm letztlich wohl der Mut. Als hätte er mit den männlichen Hormonen auch all seinen Schneid verloren …« Jack seufzte und nahm einen letzten langen Zug von seiner Zigarette. »Er war bald wieder zurück in Foley. Er brachte es seltsamerweise nicht fertig, von hier fortzugehen, den letzten Schritt in ein neues Leben zu wagen und alles vertraute hinter sich zu lassen, wirklich alle Brücken abzubrechen … Und dann kamst du.«
»Ich?«
»Der erste Fremde, der Charlie so gesehen hat, wie Charlie sein wollte. Als Frau.« Er schaute sich kurz um und stopfte den Zigarettenstummel schließlich in die Blumenerde. »Hier im Dorf hat sich kein Mann für sie interessiert. Hier wussten ja alle Bescheid.«
»Kein Wunder, dass Fiona O’Grady so pikiert dreingeschaut hat, als ich mich so offen für Charlotte interessiert hab.«
Jack verkniff sich ein Grinsen. Er wandte sich ab und griff sich sein braunes Päckchen. Warf einen Blick auf seine Uhr. »Schade eigentlich, aber ich muss unseren netten Plausch hier beenden. Hab nämlich noch ne Verabredung.«
Fin dachte nicht nach. Es war wie ein Reflex. Er griff mit beiden Händen nach der Pistole, die Jack in der Hängematte liegengelassen hatte. Und richtete sie auf sein Gegenüber.
Jack hielt überrascht inne, zeigte sich aber wenig beeindruckt. »Du solltest vorsichtig sein mit dem Ding. Es ist geladen.«
Genau daran zweifelte Fin in diesem Augenblick, denn Jack Keane blickte bemerkenswert gelassen in die Mündung seiner eigenen Waffe. Aber es half nichts, er musste es drauf ankommen lassen. »Du gehst nirgendwohin! Du bleibst hier! Und der Van Gogh auch!«
Ein spitzbübisches Lächeln huschte über Jacks Gesicht. »Was willst du tun? Mich erschießen?«
»Ich verhafte dich, Jack Keane!« Fin versuchte, wie Robert de Niro zu klingen. Oder wenigstens wie John Wayne. Drohungen hatten noch nie zu seinen Stärken gezählt.
»Wenn du mich verhaften willst, musst du mich schon erschießen. Aber ich mache es dir leicht. Ich drehe dir den Rücken zu, dann kannst du sagen, du hättest mich auf der Flucht erschossen.«
Er wandte sich ab und ging zur Tür.
Fin hielt die Pistole auf ihn gerichtet. Er musste nur
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