Die irische Wildkatze
Ausruf der Freude von ihrem Ankleidetisch auf. »Bridget Gunning, dich würde ich doch immer wieder erkennen - du hast dich keine Spur verändert!«
Bridget strahlte stolz angesichts des Lobs von ihrer alten Freundin, nahm die Hand ihrer ältesten Tochter und zog sie in die Mitte des Zimmers. »Dies ist Maria«, verkündete sie mit großem Mutterstolz.
»Ihr seid ja groß wie ein Mann!«, rief Maria aus.
Peg lachte mit echtem Vergnügen. »Tja, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe, bin ich nicht mehr gewachsen, aber du ganz bestimmt, mein Kind.« 1
Elizabeth errötete angesichts der unpassenden Bemerkung ihrer Schwester. Peg war beeindruckend hoch gewachsen und schlank, und auch wenn sie nicht im gewöhnlichen Sinne des Wortes schön zu nennen war, besaß sie doch titianrotes Haar, ausdrucksvolle grüne Augen, und eine lebhafte Persönlichkeit, die einen in derart zwingender Weise fesselte, dass man kaum den Blick von ihrem lachenden Gesicht abwenden konnte.
Peg streckte beide Hände aus. »Und du musst Elizabeth sein. Was für ein bezauberndes Püppchen du doch warst, als wir uns beim letzten Mal begegnet sind.« Sie wirbelte sie herum, um sie sich richtig ansehen zu können, zog dann einen Stuhl für Bridget herbei und schickte Dora, ihre Gehilfin, um Tee und Gebäck zu holen, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder den Gunning-Mädchen zuwandte. »Ich kann es einfach nicht glauben! Kann es nicht glaubenl« Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte voller Freude. »Es ist selten, dass eine Frau mit einer außergewöhnlich schönen Tochter gesegnet ist, aber du hast gleich zwei solcher köstlichen Geschöpfe!«
»Ich wusste, dass es mehr ist als nur Mutterstolz, Peg, denn die Leute starren sie sogar auf der Straße an.«
»Es gibt viele gepriesene Schönheiten in der guten Gesellschaft - gewöhnlich nennt man sie immer desto hübscher, je höher ihre Mitgift sein wird -, aber deine Töchter sind echte Schönheiten, und das ohne die kunstvollen Kleider, Schminke oder ein Vermögen. Kein Wunder, dass die Leute sie anstarren. Sie fallen auf wie zwei Vollblüter in einem Stall voller Arbeitspferde. Nein, ein besserer Vergleich wäre feine Kristallgefäße auf einem Tisch voll dicker Glaskrüge.«
»Ich bin sehr stolz auf Marias Haar. Ich habe in Irland noch nie schöneres gesehen - in London übrigens auch nicht, genau genommen.«
»Ja, sie hat klassisch schönes, silbrig goldenes Haar und ein ovales Gesicht, wodurch sie die engelhafte Art bekommt, die unsere Gesellschaft so bewundert. Aber ich glaube, dass Elizabeth die ungewöhnlichere, die faszinierendere Schönheit besitzt. Ihr Haar ist wie geschmolzenes Gold, und die violettblauen Augen in ihrem herzförmigen Gesicht lassen auf eine leuchtende Flamme im Innern ihrer Seele schließen.«
»Ich möchte, dass sie die Chance bekommen, auf der Bühne zu spielen, die ich selbst nie hatte«, sagte Bridget leidenschaftlich. »Sie können beide singen, tanzen und schauspielern. Jeden Abend vor dem Schlafengehen haben sie ein Teil von einem Stück gespielt, und beide haben sie für dich etwas von Shakespeare vorbereitet.«
»Wie ehrgeizig. Ihr seid ja wirklich atemberaubend!« Die Gehilfin kam zurück und trug ein riesiges Tablett mit Erfrischungen vor sich her. »Lasst uns zuerst Tee trinken, dann könnt ihr beide mir vorspielen«, lud Peg sie ein.
Maria nahm ein Stück Gebäck, aß es hastig und griff nach einem weiteren. Elizabeths Augen strahlten vor Freude, als sie das Tablett mit dem Konfekt betrachtete. Es machte ihr schon Freude, es nur anzusehen, und sich eines aussuchen zu können, erhöhte diese Freude noch. Schließlich nahm sie sich ein Stück, das kleiner als die anderen war, aber sein rosa Zuckerüberzug und die silbernen Kügelchen darauf ließen es als das hübscheste erscheinen. Als sie hineinbiss, hob sie den Blick und sah, dass Peg sie beobachtete. Ihre Wangen bekamen dasselbe zarte Rosa wie der Zuckerüberzug auf dem Konfekt, und sie senkte schüchtern die Wimpern. Ihre Art zu handeln bewies so viel Empfindsamkeit, dass Peg bezaubert war.
Als sie Tee einschenkte und die Tassen und Untertassen austeilte, erkannte sie, dass die Gunning-Töchter auch im feinsten Salon Englands Tee hätten trinken können. Ihre guten Manieren hätten sie auch im Palast von St. James geziert, und Peg warf ihrer Freundin einen bewundernden Blick zu, weil sie ihre Töchter gelehrt hatte, sich in Gesellschaft gesittet zu verhalten. Als sie fertig waren, faltete
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