Die irische Wildkatze
war, drehte ihren Sonnenschirm. »Ja, ich kann reiten«, antwortete sie abwesend. Dabei stellte sie sich den gut aussehenden John Campbell in militärischer Uniform vor, wie er auf seinem schwarzen Vollblutpferd ritt.
»Wunderbar! Ich habe eine Einladung angenommen für einen Ritt morgen früh in der Rotten Row«, sagte Charlie atemlos.
»Was?«, rief Beth. »Ich meine, wie bitte, Charlie?«
Sie hatte in Irland schon Bauernpferde und eine Menge Ponies geritten, aber immer ohne Sattel, auf dem bloßen Rücken des Pferdes. »Ich ... ich habe mein Pferd nicht mitgebracht, und mein Reitkleid auch nicht.« Die auch beide gar nicht existieren!
Charlie lachte fröhlich, als die Kutsche langsam durchs Tor in den Hof von Burlington House einbog. »Unsere Ställe sind voller Reitpferde. Komm, wir gehen und suchen eines für dich aus.«
Elizabeth war beunruhigt. Selbst der Anblick von Dandy, der sein Bein am Rad der Kutsche hob, konnte ihre Sorge nicht vertreiben. Doch als sie die Ställe betreten hatten, verschwand ihre Unruhe, sobald sie in die Nähe der Pferde kam. Sie hatte eine Zuneigung zu allen Tieren, und schon bald streichelte sie ihnen die Hälse und murmelte ihnen leise Worte zu.
»Amber scheint dich zu mögen«, schlug Charlie vor.
»Sie ist eine Schönheit, ihr Fell ist wie Satin. Darf ich sie wirklich reiten?« Sie schaute hinüber zu den Sätteln. »Ich vermute, dass ihr hier in London Damensattel reitet. In Irland bin ich immer wie die Männer geritten.«
»Wie aufregend! Aber ich fürchte, bei unserem Morgenritt in der Rotten Row wirst du Damensattel reiten müssen. Komm, wir suchen dir ein Reitkleid und Reitstiefel.«
Elizabeth stand auf einem Stuhl und eine Näherin des Burlington House ließ den Saum von einem von Lady Charlottes Reitkleidern heraus. Das jadegrüne Kleid passte perfekt auf ihre schlanke Figur, nur etwas zu kurz war es. Auch Charlies Stiefel passten nicht schlecht, denn beide Mädchen hatten kleine Füße.
Sie nahmen Tabletts mit dem Abendessen mit in Charlottes Zimmer, denn im Speiseraum aßen der Graf und sein erster Architekt William Kent und besprachen dabei die Pläne für ein neues Haus, das sie auf den großen Ländereien der Burlingtons bauten, die ihr Vater beschlossen hatte Burlington Gardens zu nennen. Nach dem Abendessen führte Charlie Elizabeth durch die Gemäldegalerie und in die Bibliothek. Beth war sprachlos angesichts der vielen Bücher in den Regalen. »Ich könnte ein Jahr hier bleiben, ohne je wegzugehen.« Sie beneidete Charlie nicht um ihre Kleider, Bediensteten oder das prächtige Haus, in dem sie wohnte, aber die Bücher hätte sie schon gern gehabt.
Die beiden Freundinnen unterhielten sich bis spät in die Nacht, wobei sie über alles redeten, von den Empfängen am königlichen Hof bis zu Almack's, schließlich zog sich Elizabeth ins angrenzende Zimmer zurück. Sie schien kaum ihren Kopf aufs Kissen gelegt zu haben, da klopfte schon eine Zofe mit einem Frühstückstablett. Und dann wurde es Zeit, sich zum Ritt anzuziehen.
Ihr Spiegelbild im ovalen Spiegel ihres Zimmers ließ klar erkennen, dass Jadegrün ihr sehr schmeichelte. Eilig fasste sie ihr Haar zu einem griechischen Knoten zusammen, steckte den zum Kleid passenden kleinen Hut mit seiner fröhlichen Feder auf ihrem Haar fest und fühlte sich unglaublich elegant.
Im Stall führte ein Bursche Amber zu einem Block zum Aufsitzen. Elizabeth tat sehr selbstbewusst und stieg in den Sattel, als hätte sie das jeden Morgen ihres Lebens so gemacht. Sie setzte ihre Beine genau so wie Charlie und nahm die Zügel in ihre behandschuhten Hände. Der Bursche stieg selbst auch auf sein Pferd und ritt ihnen voraus durch Piccadilly und in den Green Park. Sie trabten zum Ende des Parks, kreuzten wieder Piccadilly und kamen in den Hyde Park. Zu dieser frühen Stunde am Sonntagmorgen gab es keine Fußgänger oder Kutschen, nur ein paar Reiter. Als sie schließlich im Schritt weitergingen, hatte Elizabeth sich völlig an das Pferd und den Reitstil gewöhnt. Als sie dann die beiden Herren auf sich zureiten sahen und ihr wohlerzogener Bursche ein Stück zurückblieb, damit sie unter sich sein konnten, fühlte sie sich zu allem bereit.
Zu fast allem.
Sie war nicht darauf vorbereitet, dass John Campbell abstieg, zu ihrem Steigbügel herüberkam und ihr seine starken Arme entgegenstreckte. Sie war nicht darauf vorbereitet, dass er sie aus dem Sattel heben und mit Hilfe seiner überlegenen Kraft in der Luft halten würde.
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