Die irre Heldentour des Billy Lynn
vielleicht haben deshalb alle extra hochgelegte innere Schwellen gegen Gaukelei, Marktgeschrei, Verdrehungen, dummes Geschwätz und unverblümte Lügen, mit anderen Worten: gegen jede Form von Reklame. Billy hatte den ganzen Fake selbst erst durchschaut, als er in ein Kampfgebiet geraten war.
»Ich hatte kürzlich das Vergnügen eines Besuchs bei unserem Präsidenten, und er hat mir versichert, dass wir diesen Krieg gewinnen. Wir gewinnen, da gibt’s gar kein Vertun. Wir haben die besten Soldaten der Welt, die beste Ausrüstung, die beste Technik, die beste Unterstützung durch die Heimatfront, und wenn wir uns unseren Schneid bewahren, ist die Frage nur noch, wann wir obsiegen.«
Die Medienmeute guckt, wenn nicht regelrecht griesgrämig, dann eindeutig mürrisch und angeödet. Norm redet länger, als alle erwartet hatten, und selbst die Bravos, die eigentlich auf Journalistenfragen keine Lust mehr haben, werden langsam ungeduldig. Billys Aufmerksamkeit schwingt wieder zu den Cheerleaderinnen, diesmal macht er ein Experiment, er lässt den Blick ganz langsam über die Reihe an der rechten Wand wandern. Kreuzt er sich mit dem einer Cheerleaderin, geht bei ihr sofort ein pyrotechnisches Lächeln an – das ist wie bei Jupiterlampen, die nacheinander angeknipst werden, bam bam bam bam. Kurz vorm Ende der Reihe hält sein Blick inne und wandert selbsttätig zurück zu einem zierlichen hellhäutigen Mädchen mit einer toupierten strohblonden Haarkorona auf dem Kopf, ein paar einzelne sanfte Strahlen haben sich auf ihre wogende Brust gelegt. Sie lächelt prompt zum zweiten Mal, dann lacht sie lautlos und klimpert mit den Wimpern in Billys Richtung. Er weiß, das ist ihr Job, aber trotzdem, sein Magen macht einen Hüpfer wie vorm Abschlag. Ein nettes Mädchen, trägt einfach seinen Teil zur Truppenunterstützung bei.
Die Presseleute sind jetzt ernsthaft stinkig. Die kleinen Spielzeugrekorder, die sie anfangs in die Luft gehalten hatten, sind alle weg. Billy zwingt sich, die nächste halbe Minute lang nicht zu der Cheerleaderin hinüberzusehen, hütet sich aber, in die Fernsehkameras zu gucken. Nie fühlt man sich so sehr wie ein vertrottelter Streber, wie wenn man in der Glotze zu sehen ist und sich dabei selbst anglotzt, ein direkter Blick in die Kamera hat etwas merkwürdig Schuldiges oder Ratloses, das die Kamera anscheinend immer mitkriegt.
»Meine Damen und Herren, der elfte September war der Weckruf für unsere Nation. Wir haben eine Tragödie von solchen Ausmaßen gebraucht, um zu erkennen, hier ist eine Schlacht um die Seelen der Menschen zu schlagen. Das hier ist kein Feind, denman beschwichtigen kann, mit dem man vernünftig reden kann. Terroristen verhandeln nicht, die legen auch nicht einseitig die Waffen nieder. In einem Krieg wie diesem ist jedes unklare Signal nur eine Ermutigung für unseren Feind ...«
Als Billy endlich doch wieder zu ihr guckt, lauert sie schon darauf! Sie schenkt ihm ein hinreißendes Lächeln, dann noch einmal Wimpernklimpern, dann zwinkert sie ihn an. Natürlich ist das bloß professionell verbindlich, aber Billy genehmigt sich die kleine Fantasie, dass sie, ja, dass sie wirklich auf ihn steht, dass sie sich treffen werden, Nummern austauschen, zusammen ausgehen, noch ein paar Mal zusammen ausgehen, Sex haben / sich verlieben, heiraten, sich fortpflanzen, wunderbare Kinder großziehen und ein Leben lang sagenhaften Sex haben, wieso denn verdammt noch mal nicht, das machen Menschen doch seit Anbruch aller Zeiten, wieso darf Billy nicht auch mal dran sein? Er hat kurz weggesehen, und als er wieder zu ihr sieht, lächeln sie sich gegenseitig an und kichern gemeinsam still vergnügt über das kleine Etwas, das sie miteinander haben, was immer das sein mag.
»... diese famosen jungen Männer, diese wahren amerikanischen Helden«, sagt Norm eben, dann endlich gibt er die Bravos zum direkten Verzehr frei. Willkommen in Dallas , sagt der erste Interviewer, und prompt gibt es wieder Jubelrufe und Pompom-Geflatter der Cheerleaderinnen.
Was haben Sie so gemacht, seit Sie hier sind?
Die Bravos sehen sich an. Niemand sagt etwas. Kurz darauf fangen alle an zu lachen.
»Hier in Dallas oder hier im Stadion?«, fragt Dime zurück.
Beides.
»Also, in Dallas, da sind wir gestern am späten Nachmittag angekommen, haben im Hotel eingecheckt und sind essen gegangen. Danach haben wir ein bisschen Sightseeing gemacht.«
Abends?
»Abends gibt’s eine Menge Interessantes zu sehen«, sagt Dime,
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