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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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Bundó eine Kampagne gegen die amouröse Zerstreuung unseres Vaters zu führen und versuchte, ihn zu überzeugen, er müsse nun Mireille glücklich machen. In Barcelona. Auf einen Schlag schien die lebenslange gegenseitige Diskretion vergessen, und er griff Gabriel auf allen Flanken an. Er müsse sich für eine Frau entscheiden – Mireille – und die anderen vergessen, dieses Durcheinander bekomme ihm nicht. Er drängte ihn, aus der Pension auszuziehen – merkte er denn nicht, wie die Rifà ihn umgarnte, die wollte ihn da für immer festsetzen – und auch eine Wohnung in der Via Favència zu kaufen.
    »Jeder Mensch braucht eine Familie, Gabriel, aber nur eine und basta, ohne Scheiß. Du wirst ja wohl nicht ganz alleine sterben wollen.«
    Hartnäckig, wie er sein konnte, ließ Bundó keine Gelegenheit aus, um auf Gabriel einzureden. Wenn sie im Laster saßen, wenn sie zusammen einen tonnenschweren Kleiderschrank ausluden, wenn sie nach einem anstrengenden Arbeitstag zu Abend aßen. Es machte ihm nichts aus, wenn Petroli seine Litaneien mitbekam, im Gegenteil, der war ja ein Freund, Bundó suchte sogar seine Unterstützung: »Oder, Petroli? Ist doch so, Petroli? Siehst du doch auch so.«
    »Bundó, der Ärmste, drehte eine ganze Weile lang hohl«, sagte Petroli, als wir ihn in Deutschland besuchten. »Es war eine Qual, ihn derart besessen zu sehen. Er war völlig verändert. Er aß kaum noch, was man sich bei ihm kaum vorstellen konnte, und wenn er den Mund hielt, war es eigentlich am schlimmsten. Dann verschloss er sich in sich selbst, zermarterte sich das Hirn, und wir hatten panische Angst davor, dass er in dem Zustand ans Steuer wollte. Damals hat man so was nicht weiter beachtet, aber heutzutage würden die Psychologen ihm eine Depression, groß wie ein Pferd, bescheinigen.«
    Gabriel kannte Bundó so gut, als wäre er sein Bruder – er war sein Bruder, zum Kuckuck, unser Onkel –, und in den ersten Tagen ertrug er ihn mit Engelsgeduld. Das wird schon vorbeigehen, sagte er sich, das ist nur einer seiner Fieberschübe. Ende Januar fuhren sie den ersten internationalen Umzug des Jahres 1972 (Nummer 198, Barcelona–Genf), und Bundó konnte sich endlich mit Carolina treffen. Aber der Zwei-Stunden-Besuch im Papillon klärte nichts. Im Gegenteil. Carolina empfing Bundó mit der gleichen Zärtlichkeit und Hingabe wie immer – wie hatte sie ihn vermisst in diesen drei Wochen! –, aber er war zu verbohrt, um es zu bemerken, und zu versessen darauf, sie zu überzeugen, sodass sie sich am Ende wieder hinter ihren üblichen Zweifeln und Ausflüchten verschanzte. Er stieg mit dem Gefühl in den Pegaso, einen Rückschlag erlitten zu haben. Die Welt brach zusammen. Am nächsten Tag ging es ihm so schlecht, dass er nicht zur Arbeit erschien. Er war nicht erreichbar, hatte in seiner Wohnung noch keinen Telefonanschluss. Am späten Vormittag fuhr er mit dem Bus zur Pension und fragte Frau Rifà, ob irgendein Zimmer frei sei. Er wollte die Via Favència vergessen und wieder nah bei Gabriel sein. Mit untrüglichem Instinkt machte Frau Rifà ihm einen Lindenblütentee und log, es sei nichts frei. Dann schickte sie ihn nach Hause, nahm ihm noch das Versprechen ab, er würde sich ein bisschen entspannen und am Nachmittag zur Arbeit gehen. Als er zur Wohnung kam, sich ins Bett legen und liegen bleiben wollte, bis Carolina ihn retten würde, erwarteten ihn Gabriel und Petroli vor der Haustür. Sie schleppten ihn zu einem Umzug mit (Herr Casellas spie schon Feuer). Aus Angst, er könnte sonst ein Unheil anrichten, blieb Gabriel dann über Nacht bei ihm. In vier Wochen ohne Carolina, stellte er fest, war aus der Wohnung ein Hort des Drecks und der Vernachlässigung geworden.
    Diese Spirale setzte sich fort und schien kein Ende zu nehmen, aber dann kam die Reise nach Hamburg und löste alles auf.
    Gabriel, Bundó und Petroli hatten sich vor Jahren angewöhnt, jeden Auslandsumzug mit einer Gipfelbesteigung gleichzusetzen. Die Idee stammte von Petroli, der als junger Mann gerne übers Wochenende in die Berge gefahren war. Der Aufstieg, also der langsamste und anstrengendste Teil, bestand darin, die Möbel einzuladen, im Morgengrauen loszufahren, den von Herrn Casellas vorgegebenen Zeitplan einzuhalten … Wenn sie dann am Ziel waren und ausgeladen, also gleichsam ihr Gipfelfähnchen eingepflanzt hatten, begann der leichtere und angenehme Teil. Europaabwärts. Der Pegaso fuhr sich leichter, sie teilten die Beute auf, erfanden Ausreden

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