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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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sich Ritas Hoffnung auf ihr astrologisches Gegenstück tausend Mal. Doch im Schutzraum des Käfigs lernte sie, sich nicht verbittern zu lassen. Stattdessen wurde ihr mit jeder Erschütterung die eigene Neigung zur Fantasterei ein wenig beherrschbarer. Der grausame Spott des Kalenders verwandelte sich zunächst in immer harmlosere Anekdoten, später in Schrecksekunden, die ihr den Tag in Schwung brachten. Und dann, ohne Vorwarnung, wie es sich bei richtig großen Unwettern, Tragödien und Wundern gehört, kam der ruhmreiche 16. Februar 1972.
    Das Flugzeug erzitterte, als die Räder den Boden berührten, und Gabriel atmete so lange aus, als hätte er die ganzen zwei Stunden der Reise die Luft angehalten. Es war das erste und letzte Mal, dass er so ein Ding bestiegen hatte. Sein Fernfahrerkörper war die Vibrationen von Motoren und des Asphalts gewohnt. Die Reifen übermittelten ihm den Puls der Straße, die Schwerkraft und die Geschwindigkeit. Die Hände hielten das Lenkrad fest. Wie konnte man einen Apparat steuern, der in der Luft schwebte? Und war es möglich, dass jemand das überhaupt wollte? Er hatte einen Fensterplatz abbekommen, genau über dem rechten Flügel. Vögel hatte er noch nie gemocht.
    Die wohlklingende Stimme einer Stewardess hieß die Passagiere willkommen auf dem Flughafen von Barcelona. Nun, da er nach Hause kam, hatte er das Bild von Bundó im Sarg wieder vor sich. Man hatte ihm die Augen geschlossen und ihm die Verletzungen im Gesicht überschminkt. An der Zollstation hatte die deutsche Grenzpolizei Gabriel gezwungen, die Leiche zu identifizieren, danach hatte er irgendwelche Papiere unterzeichnen müssen.
    In den Tagen seit dem Unfall war er jedem konkreten Gedanken an den Tod des Freundes ausgewichen. Doch nun, da sie sich dem Ausgangspunkt, dem Ursprung des Ganzen näherten, spürte er, wie diese Abwesenheit über ihn hereinbrach und ihn gewaltsam veränderte. Das Flugzeug kam zum Stehen. Eine unerträgliche Schwere erfüllte ihn, ihm war, als hätte er einen Sack Zement im Bauch. Der letzte Umzug, Petrolis Abschied in Hamburg und selbst das friedliche Bild von Bundó, wie er in der Kabine des Pegaso schlief, schienen ihm auf einmal weit weg, wie aus einem anderen Leben, und zusammenhanglos wie schlechte Lügen. Während sich um ihn herum die Passagiere von ihren Plätzen erhoben, blieb er reglos sitzen. Er fühlte sich gelähmt, er würde nie wieder aufstehen können. Eine Flugbegleiterin klopfte ihm vorsichtig auf die Schulter. Als Letzter stieg er aus der Maschine. Draußen erwarteten ihn zwei Polizisten von der Guardia Civil und ein Leichenwagen.
    Die Überführung eines Leichnams bedeutet ein bürokratisches Labyrinth. Die beiden Polizisten hatten noch einen Notar dabei, den die Versicherung von La Ibérica schickte, und einen Mitarbeiter eines Bestattungsunternehmens. Es war ein typischer Februartag, bedeckt und düster, und beim Anblick dieser vier Gestalten konnte man Gänsehaut bekommen. Das Ganze sah aus, als sollte gleich ein Duell folgen und Gabriel wäre der Geforderte. Er musste dem Notar die Papiere von der deutschen Polizei aushändigen, der sie prüfte, unterzeichnete und an die Männer von der Guardia Civil weiterreichte. Dann sagte er Gabriel, dass Herr Casellas ihn erwarte.
    Sichtlich mitgenommen stand der Chef im Empfangsbereich des internationalen Terminals. Da es keine lebenden Angehörigen gab, habe man beschlossen, Bundós Begräbnis, wenn es Gabriel recht sei, am folgenden Nachmittag auf dem Friedhof von El Vendrell zu begehen. Man werde ihn in die Grabnische betten, in der schon seine Eltern lagen. Gabriel sagte zu allem Ja.
    In einem lichten Moment an seinem ersten Abend im Kasseler Krankenhaus hatte er es über sich gebracht, Carolina anzurufen. Es musste seine Stimme sein, die ihr die furchtbaren Worte aussprach.
    »Heute Morgen ist ein Unglück passiert, Carolina. Wir haben einen Unfall gehabt. Es tut mir sehr leid, aber Bundó ist tot.«
    Carolina hatte nichts erwidern können. Auch Gabriel war stumm geblieben, den Hörer in der zitternden Hand. Er stellte sie sich in ihrem Zimmer im Papillon vor, mit den Nerven fertig, das Schlimmste befürchtend. Den ganzen Tag hatte sie die Stunden gezählt und auf das vertraute Motorgeräusch unten auf dem Parkplatz gewartet. Sie hatte gehofft, Bundó würde kommen, ehe der Valentinstag vorbei wäre. Nach einer Minute am Telefon begann ihr verzweifeltes Schluchzen immer lauter zu werden. Und später, viel später, brachte

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