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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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Menschen, die sehr ungern stehen. Er zog eine Packung Kaugummi aus der Tasche und hielt sie ihr hin.
    »Du willst keins, oder?«
    »Nein danke, ich will mich ja nicht vergiften«, zischte sie und nahm sich eins. Dann musterte sie Leiva mit forschendem Blick. »Hast du abgenommen? Du kommst mir ganz ausgemergelt vor.«
    Der gutmütige Freund merkte nicht, dass sie sich über ihn lustig machte. Der Blaumann war ihm eng wie immer und spannte sich über seinem Bauch.
    »Kann schon sein«, sagte er geschmeichelt. »Daran ist die Grippe schuld, aber ich versichere dir, die Kilos hole ich mir sofort zurück.«
    Zur Bekräftigung löste er einen Knopf seines Overalls und zog ihn auseinander, als wollte er ihn zum Platzen bringen. Dabei fiel Rita das Hemd auf, das er darunter trug.
    »Dein Hemd. Zeig mal. Mach den Blaumann auf, Leiva. Bitte.«
    Das ließ er sich nicht zweimal sagen und präsentierte ein Flanellhemd mit schwarz-weißem Fischgrätenmuster, von dessen Schillern einem die Augen wehtaten.
    »Gefällt dir, was? Ist der erste Tag, an dem ich es anhabe. Und der letzte. Ich schwitze zu sehr darin.«
    Rita hatte, wie vom Blitz getroffen, das scheußliche Hemd wiedererkannt, in dem Bundó auf dem Foto posierte, das sie am Tag seiner Beerdigung gesehen hatte. Dass es zwei davon gab, war undenkbar. Obendrein hatte Leiva es sich genau so unordentlich angezogen wie Bundó auf dem Bild.
    »Wo hast du das her?«, bedrängte sie ihn.
    Er neigte ihr den Kopf zu und antwortete flüsternd: »Von hier, du weißt schon. Aus unserm Geschäft.« Und er konnte sich ein Zwinkern nicht verkneifen.
    »Wann war das? Ich erinnere mich nicht.«
    »Muss so drei Wochen her sein. An dem Tag warst du ziemlich geplättet vom Herumwühlen in anderen Koffern, und du sagtest uns, dass du nichts wolltest, dass wir es diesmal alleine machen sollten.«
    »Das war nicht zufällig eine schwarze Segeltuchtasche?«
    »Ich würde sagen, nein …«
    Es war zu spüren, dass Leiva sich nicht sicher war und Angst hatte, ihr etwas Falsches zu sagen. Rita hatte ja in Sachen der abgezweigten Koffer die Leitung inne. Er fuhr sich mit der Hand durchs fettige Haar und versuchte sich zu erinnern.
    »Nein, jetzt weiß ich’s wieder. Es war so eine khakifarbene Tasche, so wie die von der Armee, sehr groß. Sagt dir das was?«
    »Ja, sagt mir was.«
    »Sie machte einen sehr vollen Eindruck, aber als wir sie aufmachten, war sie so gut wie leer, drin war nur … ja, klar! Drin war eine andere Tasche. Und die war schwarz. Ich erinnere mich gut, denn als wir das sahen, ließ Sayago wieder eins von den Sprichwörtern los, die er so toll findet: ›Der große Fisch hat den den kleinen Fisch gefressen‹. Die von der Lufthansa hatten die Tasche wohl einfach da reingestopft, wahrscheinlich um Platz zu sparen im Flugzeug.«
    »Und warum habt ihr mir das nicht am nächsten Tag gesagt?«
    »Du warst so versunken in deine Sachen, Mädchen, da wollten wir dich nicht aufscheuchen. Du warst in Ohnmacht gefallen und sahst wirklich schlecht aus. Außerdem war da nur wertloses Zeug drin. Ein rostiger Korkenzieher, eine Sonnenbrille mit gesprungenen Gläsern. Das Beste war noch dieses Hemd!«
    »Und was habt ihr mit der Tasche gemacht? Waren da nicht auch noch Papiere oder so was drin?«
    »Doch, ich würde sagen, ja. Aber ich würde auch sagen, dass wir das alles weggeschmissen haben, wie immer …«
    »Jetzt geht’s dir an den Kragen!«
    »O nein! Stimmt ja gar nicht!«, rief Leiva, froh, sich korrigieren zu können. »Das hat alles Porras behalten. Es war so eine Mappe wie von einem Minister, von der Botschaft in Deutschland, und wir haben uns nicht getraut, die einfach in den Müll zu werfen. Ich glaube, er hat sie immer noch in seinem Spind.«
    »Dann gehst du jetzt sofort zu ihm hin und sagst ihm, er soll sie mir bringen!« Rita war außer sich, Leiva erkannte sie nicht wieder. »Du weißt nicht, was ich für diese Mappe geben würde!«
    So energisch hatte sie noch nie mit ihm gesprochen. Wie Peitschenhiebe prasselten die Worte auf ihn nieder, und er galoppierte los, um Porras zu suchen.
    Keine zehn Minuten später hielt Rita die Mappe vom Konsulat schon in den Händen und liebkoste sie mit despotischer Gier. Die schwarze Segeltuchtasche war verloren gegangen, in einem anonymen Müllcontainer zurückgeblieben, und ähnliches Unheil hatte ihren Inhalt ereilt. Das waren unvermeidliche Verluste, Bauernopfer, damit die Einkreisung Gabriels nun mit geschickteren Manövern fortgesetzt

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