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Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition)

Titel: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordi Punti
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Rifà besaß auch eine Katze, eine lebendige. Das Tier hatte – es mochte an den vielen Händen liegen, von denen es, als zählte dies zu den Gastpflichten, lustlos gekrault worden war – einen Abscheu gegen Liebkosungen entwickelt und genoss es, die Leute zu erschrecken. Nachdem die Katze stundenlang auf dem Sofa geschlafen oder reglos auf irgendeinem anderen Möbelstück gehockt hatte, sprang sie plötzlich fauchend auf die nächstbeste Schulter. Die Mieter hassten sie, und der Hass war beiderseitig.
    Von der Katze abgesehen, die von Anfang an in der Pension wohnte, hatten die Tiere sich mit der Zeit angesammelt in den Jahren, als ein Handelsvertreter für Weine aus La Rioja zu den Stammgästen zählte. Gabriel und Bundó verpassten knapp die Gelegenheit, ihn noch persönlich kennenzulernen, aber einer der anderen Mieter weihte sie in die Geschichte ein. Dieser Herr, ein Witwer mit zwei Töchtern im heiratsfähigen Alter, die ihm den letzten Nerv raubten, verkehrte rund vier Jahre lang im Haus, zwischen 1954 und 1958. Anfangs kam er jeden Monat für eine Woche, die Zeit, die er für seine Runde durch die Geschäfte und Restaurants Barcelonas brauchte. Doch bald dehnten sich seine Aufenthalte aus, und mit dem Verweis, es gebe unglaublich viel zu tun, verbrachte er je zwanzig Tage in der Pension und zehn Tage in Logroño. Er und die Wirtin duzten sich und trafen sich selbstverständlich jede Nacht auf der Matratze. Dieses Konkubinat bescherte Frau Rifà die glücklichste Zeit ihres Lebens, so vertraute sie es Bundó an, der in trüben Anislikörnächten ein offenes Ohr für ihren Kummer hatte. Und dem Herrn aus Logroño verdankte sie auch all die ausgestopften Tiere.
    Irgendeine Kindheitserinnerung, verbunden mit einem alten Volksschullehrer, hatte bei ihm eine Begeisterung für die Tierpräparation hinterlassen. Jeden Freitagabend begab er sich zum Taxidermisten an der Plaça Reial, als ginge er auf Safari. Unermüdlich betrachtete er die ausgestellten Werke, und wenn es ihm eines besonders angetan hatte, investierte er ein paar Peseten und brachte es nach Hause. Frau Rifà rümpfte dann stets die Nase – »Noch ein Staubfänger mehr«, sagte sie sich –, suchte aber sogleich einen Platz für die Neuerwerbung. Mit jedem Tier, das dazukam, so glaubte sie, verwurzelte sich der Herr aus Logroño mehr bei ihr: Solange die guten Stücke da waren (und dass sie aus eigener Kraft verschwänden, war ja sehr unwahrscheinlich), würde es auch ihm nicht in den Sinn kommen, sie im Stich zu lassen.
    Da täuschte sie sich. An einem Septembervormittag, als sie vom Einkaufen auf dem Markt heimkehrte, zu der Stunde, da die Wohnung leer war und sie bei der Zubereitung des Mittagessens den Roman auf Radio Barcelona zu hören pflegte, fand sie auf dem Esstisch einen gefalteten Zettel. Darauf machte der Herr aus Logroño viele Worte, um ihr mitzuteilen, dass er überstürzt habe nach Hause aufbrechen müssen. Seine beiden Töchter hätten gemeinsam versucht, sich das Leben zu nehmen. Sobald er könne, werde er ihr mehr schreiben. Viele Küsse und so weiter. Frau Rifà begann am ganzen Körper zu zittern, der Mann tat ihr furchtbar leid. In diesem Moment stieg ihr ein Hauch Varon Dandy in die Nase, und sie stellte fest, dass das Papier in ihren Händen parfümiert war. Wie seltsam. Wer bestäubt denn eine traurige Mitteilung mit einem Duftwässerchen, es sei denn, er möchte, dass ihm etwas vergeben wird? Sie rannte in das Zimmer, das der Herr aus Logroño, um den Anschein zu wahren, weiterhin gemietet hatte. Sie riss den Kleiderschrank auf: leer. Sie ließ sich aufs Bett fallen, denn sie glaubte, die Besinnung zu verlieren. Auf der Kommode hockte ein Frettchen und zog eine verächtliche Grimasse.
    In den ersten Wochen hielt der ausgestopfte Zoo noch einen Funken Hoffnung in Natàlia Rifà wach, doch mit der Zeit verflüchtigte sich die Sehnsucht nach einem Brief mit dem Stempel der Post von Logroño. Eines Tages beim Abendessen, als sie schon zwei Monate lang der Versuchung widerstanden hatte, das Zimmer des Mannes erneut zu vermieten, fiel ihr auf, dass die Gäste sich mitleidige Blicke zuwarfen. Sie war eine Expertin darin, die Körpersprache ihrer Mieter zu lesen. Also stellte sie sie zur Rede, und die Blicke wurden undurchdringlich, doch am Ende konnte ein Bursche aus Bergà, Notariatsassistent und Plappermaul, nicht an sich halten: Gerade an diesem Nachmittag, auf dem Rückweg vom Gericht, hatte er den Herrn aus Logroño auf dem

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