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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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diese Hürde endlich genommen, ist es möglicherweise geschlossen. Daher kann ich Ihnen nur raten, sollten Sie jemals mit italienischen Beamten zu tun haben, versuchen Sie, ruhig zu bleiben (selbst wenn Sie denjenigen, der vor Ihnen sitzt, am liebsten erwürgen würden), und solange Ihr Italienisch nicht absolut perfekt ist, nehmen Sie jemanden zur Unterstützung mit (die meisten Beamten sprechen nämlich nur Italienisch beziehungsweise noch öfter nur Dialekt). Nehmen Sie nichts für gegeben, und versichern Sie sich, dass Sie auch wirklich alles verstanden haben.
    Vor ein paar Jahren hatte ich in Florenz mit einigen Behörden zu tun, und ich glaube, ich habe dabei eine wichtige Lektion gelernt, wie man letzten Endes doch bekommt, was man benötigt. Eigentlich braucht man dafür nur eines: viel Geduld.
    Ich will Ihnen nicht das übliche Bild vom faulen italienischen Beamten vermitteln. Das wäre ihnen gegenüber wirklich ungerecht. Das Problem ist eher, dass einige von ihnen ja tatsächlich sehr viel arbeiten, aber zu weiten Teilen sinnlose Vorgänge durchführen müssen, die auf althergebrachten Normen und Gewohnheiten und formalen Spitzfindigkeiten beruhen. Wer weiß, wie heute gewisse Behörden in Italien funktionieren, wird verstanden haben, was ich mit dem Ausdruck »Spitzfindigkeiten« meine. Bei solchen Staatsdienern muss man sich darauf einstellen, dass man mehrere Anläufe braucht. Es gibt allerdings einen Trick, um die Anzahl der Fehlversuche zu verringern: Geben Sie ihnen immer recht. Beim ersten Anzeichen eines »Das geht nicht« sollte man tief aufseufzen und etwas sagen, was dem Gegenüber klarmacht, wie sehr Sie seine schreckliche Lage nachempfinden können. Und wie hilflos Sie doch angesichts der Fallstricke der Bürokratie sind, auch wenn Sie mehrere Universitätsabschlüsse haben, und dass Sie daher dringend auf seine Unterstützung angewiesen sind. Geben Sie dem Bürokraten auf der anderen Seite des Schreibtischs das Gefühl, dass er oder sie die Macht hat und Sie nichts als ein armer unwissender Bittsteller sind, der ein wenig von seiner oder ihrer kostbaren Zeit benötigt.
    Versuchen Sie auf jeden Fall, eine persönliche Beziehung aufzubauen: Wenn Ihnen auf dem Schreibtisch Fotos von Kindern, Enkeln oder Orten auffallen, kommentieren Sie sie freundlich, und geben Sie zu verstehen, dass Sie genauso ein Mensch sind wie Ihr Gegenüber, auch Sie sind abhängig von einer höheren Macht und müssen jeden Tag arbeiten, um Ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sollte Ihnen das gelingen, haben Sie es geschafft. Werden Sie ungeduldig, können Sie nur verlieren.
    So habe ich erst ein Geduldstraining von sage und schreibe fünf (zur Verdeutlichung noch einmal als Zahl: 5!) Stunden hinter mich bringen müssen, ehe ich den entsprechenden Vorgang inrekordverdächtigen zwei (2!) Sekunden abschließen konnte, allerdings drohte er zunächst sich noch über weitere achtzehn Stunden hinzuziehen. Ich bin sicher, Ihnen wird dieses einfache Beispiel von Einfühlungsvermögen und keinerlei Eile von großem Nutzen sein.
    Seit Wochen wartete ich nun schon darauf, dass die Stadtverwaltung Florenz mir an meine römische Adresse eine Drehgenehmigung für Aufnahmen auf dem Domplatz schickte. Ohne diese Genehmigung durfte ich nicht mit Stativ drehen. Am Tag vor den Aufnahmen gehe ich persönlich zu dem betreffenden Amt, um nach einem Duplikat zu fragen. Die folgenden Gespräche mögen Ihnen reichlich kafkaesk vorkommen, aber sie haben sich zu meinem Leidwesen genau so zugetragen.
9.20  Stadtverwaltung
    »Ich habe leider kein Einschreiben erhalten …«
    »Uns liegt vor, dass am 12. Februar eine Genehmigung an Ihre Adresse in Rom verschickt wurde, es gibt auch eine Vorgangsnummer …«
    »Das heißt?«
    »Das heißt, es liegt offenbar an der Post, das wäre nicht das erste Mal … Sicher eine Verzögerung …«
    »Aber es ist über einen Monat her …«
    »Vielleicht ist das Einschreiben verloren gegangen.«
    »Verloren gegangen, wo, bitte? Bestimmt nicht bei mir!!«
    »Bitte regen Sie sich nicht auf …«
    »Aber ich rege mich auf! Morgen früh muss ich drehen, stellen Sie mir wenigstens ein Duplikat aus …«
    »Ich glaube kaum, dass das so einfach ist. Gehen Sie hoch in den ersten Stock, Zimmer 104, und fragen Sie den Kollegen Martinelli. Ich sage Ihnen aber gleich, Sie werden warten müssen …«
11.30  Stadtverwaltung, Zimmer 104
    »Guten Tag, mein Herr, wie kann ich Ihnen helfen?«
    Angesichts solcher Zuvorkommenheit

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