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Die italienischen Momente im Leben

Die italienischen Momente im Leben

Titel: Die italienischen Momente im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruno Maccallini
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Versen des Malleus Malificarum , seinem Beitrag zu unserer Darbietung mit dem Motto »Zauber und Magie«. Hat etwa dieser mittelalterlicheText, mit dem man die Hexerei bannen wollte, den Zorn von Geistern heraufbeschworen, die ihn nun zum Schweigen verdammen?
    Oder Marco, der in den drei Jahren auf der Accademia stets der charismatische Anführer der Klasse war und uns heute Abend mit den magischen Elixieren und Liebestränken des Grafen Cagliostro verführen wird. Antonella, die »Seherin«, probiert vor dem Spiegel die Maske für die Rolle der wunderschönen Armida aus, der Zauberin aus Torquato Tassos berühmtem Heldenepos »Das befreite Jerusalem«. Armida, dieser Inbegriff der sündigen Sinnlichkeit, hatte ihren Geliebten, den Kreuzritter Rinaldo, mit ihren Zauberkräften um den Verstand gebracht. Antonella leidet unter Schlaflosigkeit, verbringt ganze Nächte im Badezimmer vor dem Spiegel, übt ihre Rolle oder versucht sich als Wahrsagerin. Letzte Woche hat sie doch glatt den Sieg Italiens über Deutschland im Endspiel der Weltmeisterschaft vorhergesagt. Purer Zufall?
    Dann haben wir da noch Antonio und Sara, die Tag und Nacht zusammenglucken, weil sie sich angeblich in ihre Rollen als Papageno und Papagena einfühlen müssen. Und währenddessen beißt sich Luca, Saras Ehemann, also der im wirklichen Leben, stumm die Knöchel seiner Hand blutig, aber wir warten darauf, dass seine Eifersucht jeden Moment ausbricht. Wanda, unsere Yogabegeisterte, ist hingegen die Ruhe selbst. Wie schafft sie es nur, in diesem Chaos zu meditieren und ihre »Oms« vor sich hin zu murmeln?
    Und dann noch meine Wenigkeit. Ich werde heute Abend die Gitarre schwingen und so tun, als würde ich Heavy Metal zum Besten geben. Nach der Bestrafung durch meinen bigotten Bühnenvater, der meine Musik für Teufelswerk hält, werde ich von einem dämonischen Gott des Rocks gesegnet und verschreibe mich fortan den okkulten Künsten. Als »Meister des Bösen« mache ich mich gar nicht mal schlecht. Hoffentlich denkt das Publikum nicht, ich sei wirklich so …
    Ugo, Marco, Sara, Antonio, Luca, ich und noch viele andere – wie gern würde ich diesen Moment der Unbekümmertheit für die Ewigkeit festhalten.
    Der Ort unseres Debüts ist sehr stimmungsvoll, eine ehemalige Kirche in der Nähe eines Hügels, der zu einem gepflegten englischen Rasen hin abfällt; der Blick auf eine Zypressenallee und der Sonnenuntergang sind im Eintrittspreis inbegriffen. Ich liebe es, vor der Premiere durch die Umgebung des Aufführungsortes zu streifen. Zum einen kann man die Gegend erkunden, zum anderen hilft es gegen das Lampenfieber. Die historische Altstadt von Spoleto ist auf einem handtuchgroßen Stück Land erbaut, in ihren kleinen Gassen lässt es sich angenehm flanieren. Die Umbrier sind phantastische, lebensfrohe Menschen, die Leute lächeln einem zu, und man fühlt sich sofort mit allen vertraut. Ich komme am Römischen Theater vorbei, dort gehe ich sehr gern hin, weil ich den Wachmann mag.
    Jedes Mal, wenn ich ihn treffe, erzählt er mir eine neue Episode der ruhmreichen Geschichte Spoletos mit einer Begeisterung, die mich in Bann schlägt. Er ist ein leidenschaftlicher Mann, auf seine Art ein Philosoph. An einem Sonntag habe ich mit ihm einen ganzen Nachmittag lang den Zauber dieser Stadt bewundert, die wirklich aus einer anderen Zeit zu stammen scheint.
    »Ob Sie es glauben oder nicht, hier in Spoleto geht es aber auch richtig modern und fortschrittlich zu … wissen Sie, wir trennen sogar unseren Müll!«
    Und dann kommen wir vom Hausmüll auf die Geschichte zu sprechen, auf die Punischen Kriege und Hannibal, der bei seinem Marsch auf Rom 217 vor Christi Geburt vom hartnäckigen Widerstand der tapferen Bürger Spoletos aufgehalten wurde.
    Wir haben Glück, weil beim Festival viele Berühmtheiten auftreten und man auf den Straßen leicht großen Künstlern wieLindsay Kemp oder Django Edward über den Weg laufen kann (der im übrigen völlig verrückt ist nach den strangozzi al tartufo, den typischen Trüffelnudeln aus Spoleto). Um zum Theater, pardon, zur Kirche zu gelangen, muss man die Treppe der Via dell’Aringo hinuntergehen. Das ist unter anderem auch der ideale Punkt, sich von den Gefühlen überwältigen zu lassen, die die riesige Kathedrale mit ihrer prachtvollen Fassade zur Piazza del Duomo hin in einem auslöst: Hier schlüpfe ich kurz hinein, um zu beten. Schnell eine Kerze für die Madonna aufstellen, das bringt mir vor meinem Debüt

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