Die italienischen Momente im Leben
abzulenken … außerdem hat dieser Einfall mir Glück gebracht. Oder etwa nicht?«
Elf Uhr abends: Karen hat gerade ganz Camogli auf den Kopf gestellt, weil sie zu dieser nächtlichen Stunde unbedingt noch ihre Beine epilieren lassen muss.
»Mit all diesen überflüssigen Haaren am Körper kann ich morgen unmöglich drehen.«
Die Filmaufnahmen werden am nächsten Tag unterbrochen. Und wir kommen nie nach San Fruttuoso.
»My God, it’s unbelievable!«
23.
NEAPEL
2001
Pizza und Mandolinen, Müllberge und Camorra, Pulcinella und curniciello , der kleine hornförmige Glücksbringer aus Koralle – es gibt unzählige Klischees über Neapel, die das eigentliche Bild dieser einzigartigen Stadt mit ihrem ganz eigenen Charme und ihrer besonderen Schönheit verfälschen. Und seit der Veröffentlichung von Gomorrha, dem bekannten Insiderroman von Roberto Saviano, kommen natürlich auch noch korrupte italienische Politiker hinzu.
Viele sehen nur dieses Klischee, aber das ist einfach falsch. Neapel ist viel mehr, es ist Herzlichkeit, Sonne, Meer und leidenschaftliche Liebe zu einer Heimat, die im Laufe der Jahrhunderte große, heute leider oft allzu leicht vergessene Dinge hervorgebracht hat.
Neapel ist eine faszinierende Stadt, reich an Geschichte, Kultur, Kunst, Naturschönheiten und Traditionen. Eine komplexe Realität, ein Meer aus Gefühlen und Sinneseindrücken, die Gäste aus aller Welt zwangsläufig in ihren Bann schlagen.
Neapel zu entdecken bedeutet auf eine wunderbare Reise in die menschliche Seele mit all ihren Abgründen zu gehen. Die Stadt wird Sie sicher beeindrucken mit ihren Palazzi, Kirchen, Straßen, alten Festungen und Kastellen mitten im Meer, aber auch durch Naturgrotten und Orte voller Geheimnisse und Mystik.
Man kann sich auf das historische Zentrum konzentrieren und sich in seinen tausend Gassen verlieren. Oder die Uferpromenade entlangschlendern, es ist auch noch im Dezember angenehm mild, und an klaren Tagen hat man hier einen phantastischen Ausblick auf die Bucht von Neapel und ihre Inseln. Oder all die Köstlichkeiten probieren, die die neapolitanische Küche für einen bereithält: Pizza natürlich, am besten eine klassische Margherita (doch zu der komme ich später), die wunderbaren länglichen San-Marzano-Tomaten, zum Genießen im Salat oder als Sugo. Und Pasta satt, Maccheroni oder Spaghetti, die hier auch Vermicelli heißen, Büffelmozzarella oder leckerer Scamorzakäse, ich könnte noch lange so weiterschwärmen. Wenn Sie Neapel besuchen, rate ich Ihnen eines: Folgen Sie einfach Ihrem Herzen, und Sie werden die Wärme der Stadt und seiner Bewohner kennenlernen.
Seit Langem schon wollte ich meiner Tochter Martina Nea-pel zeigen. Mein Freund Giuseppe holt uns vom Bahnhof ab. Gleich nach der herzlichen Begrüßung fragt er uns mit dem Stolz eines echten Neapolitaners: »Habt ihr gesehen, wie schön unser Bahnhof ist?« Wir folgen ihm zum Ausgang und lassen uns von ihm durch die chaotische, laute Stadt lotsen. Tatsächlich fühlen wir uns kaum mehr wie in Italien, sondern eher wie in der Hauptstadt von Mosambik. Hier sieht man von allem etwas: heruntergekommene Palazzi, Dreck, fliegende Händler mit gefälschten Louis-Vuitton-Handtaschen auf den Bürgersteigen, ein einziges Chaos ... und er strahlt uns mit einem seligen Lächeln an: »So ist Neapel eben, total verkommen, aber schön!«
Wir möchten sofort eine echte neapolitanische Pizza essen, Giuseppe empfiehlt uns, eine Pizza Margherita zu nehmen, wie sie einstmals zu Ehren von Königin Margherita in den Nationalfarben (grün-weiß-rot) der neu gegründeten Republik Italien erfunden wurde, nur sie bringt den frischen Geschmack von Mozzarella und Tomate so richtig zur Geltung.
Dieses einzigartige Geschmackserlebnis in der Pizzeria gleich bei ihm um die Ecke kann nur noch der Kaffee übertreffen, den wir danach bei ihm zu Hause trinken.
Giuseppes Wohnung liegt in einer engen Gasse, zwischen den gegenüberliegenden Häusern sind Wäscheleinen gespannt, ganz typisch für diese Gegend. Drinnen wirkt das Haus mit den breiten Treppen viel geräumiger als von außen, und erstaunt stellen wir fest, dass die Türen fast aller Wohnungen offen stehen. Freundlich grüßend spähen wir im Vorübergehen interessiert hinein. Martina fallen besonders die »Schaukästen« mit den Heiligen auf. Im letzten Stockwerk beugen wir kurz das Knie vor Giuseppes persönlichem Schutzpatron, mein Freund hat ein Foto des heiligen Gennaro mit Blumen und einer
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