Die italienischen Momente im Leben
gegrilltes Fleisch. Zu den Spezialitäten des Hauses gehört ebenfalls gebratenes Pferdefleisch mit Knoblauch und Rosmarin oder roh mit Öl und Zitrone und frittiertes Hirn. Nicht zu vergessen die Süßspeisen wie Crème Caramel, Apfelkuchen, das Biskuitdessert zuppa inglese und salame al cioccolato , eine Art »Kalter Hund«. Alles so, wie es früher einmal war.
Damals, als man die Waren noch lose einkaufte und nicht abgepackt im Supermarkt, notierte Signor Paolos Ehefrau sich jeden ihrer Einkäufe sorgfältig in dem schwarzen Büchlein mit dem roten Rand ... und machte regelmäßig am Ende des Monats die Abrechnung. Wie könnte ich das kleine Buch mit dem Gummiband vergessen oder diese würdevollen Bewegungen, mit denen Signor Olimpio mir in seinem Laden ein Brötchen mit Mortadella zubereitete. Je mehr ich mich im Geiste von den anonymen Vorstädten entferne, den Discountmärkten und den Einkaufszentren, desto mehr wird mir bewusst, wie mir diese kleinen Begegnungsstätten fehlen, wo man noch etwas von jener im Aussterben befindlichen Menschlichkeit erleben kann. So hat das historische Delikatessengeschäft Tamburini , früher auch nur ein schlichter Lebensmittelladen, in der Via Caprarie überlebt. Ich war kürzlich wieder drin, aber es hat sich völlig verändert. Trotzdem lohnt es sich immer noch, dort auf eine Scheibe Mortadella und ein Glas Lambrusco einzukehren.
Tja, und wie schön waren doch die unzähligen Osterien in Bologna, wo man sich gut unterhielt und Wein trank, und wehe dem, der dort nach einer Coca-Cola fragte!
Da spielte man dann mit den alten italienischen Karten scopa , schlechte Spieler waren genauso wenig gelitten wie schlechte Verlierer, und Frauen kamen nur dorthin, um ihre sturzbetrunkenen Ehemänner abzuholen. Einige dieser Lokale findet man heute noch im Stadtzentrum wie zum Beispiel die Osteria in der Via del Pratello, deren größte Attraktion damals die üppige Eva war, die Frau des Wirts. Kein Name hätte besser zu ihr passen können als der der Urmutter der Menschheit. Sie war der Prototyp des Frauenbilds von Fellini, der Inbegriff von Mütterlichkeit und Erotik.
In der Via del Pratello, der Zuflucht der Glücksspieler, Priester, lüsternen Männer, Alkoholiker, Rattenfänger, Spitzel und Transvestiten war der Hunger allgegenwärtig. Die unterste soziale Stufe nahmen die Tagelöhner ein, die von den Hügeln aus dem Umland herunterkamen, um dort eine Flasche Wein zu trinken. Besonders im Winter litten sie Mangel, weil es auf den Feldern nicht viel Arbeit gab. Man aß Polenta, immer nur Polenta, nie gab es Fleisch. Um ein wenig menschenwürdiger zu leben, fand man andere Wege, mit denen man seinen Lebensunterhalt etwas aufbessern konnte. Zum Beispiel an Karneval aufspielen, wenn die Felder noch im Winterschlaf lagen, oder zu den Heiligenfesten.
So wie Leandro, der Verwalter von Signor Paolo, der ein Haus in Serravalle besaß, ein begabter Geiger. Er spielte üblicherweise auf den Tanzböden zum Gesellschaftstanz auf, sündige und bei den Pfarrern verhasste Musik, weil die jungen Leute eng umschlungen tanzten und vor den Augen der strengen Eltern heimlich Zärtlichkeiten austauschten. Später war er dann mit einer Gitarre unterwegs und spezialisierte sich auf improvisierte, pikante Strophenlieder, die fast immer unter großem Gelächter endeten. Wie zum Beispiel:
»Ich streichelte ihre Haare, und sie sagte zu mir, nicht hier, nicht hier, such mit deiner Hand doch weiter unten, die Haare dort wirst du sicher mögen!«
Refrain: »Geliebter, wenn du mich liebst, musst weiter unten du suchen, und noch weiter unten, los, los los, weiter unten, los, loos ...«
Doch die Osteria, die damals wie heute Bologna am besten repräsentiert, ist die Osteria da Vito , in der schon von Francesco Guccini besungenen legendären Via Paolo Fabbri. Heute führt Vitos Sohn das Lokal, jemand, für den das Leben anscheinend in den Siebzigerjahren stehen geblieben ist, irgendwie ist er immer noch ein Blumenkind. Da Vito hat keine besonderen Spezialitäten auf der Karte, aber von seinen Bandnudeln al ragù träumt man auch noch nachts. Zwischen diesen alten Mauern (sie können mit Recht als alt bezeichnet werden, das Lokal wurde noch nie renoviert) atmet man heute noch den Geist jener Jahre. Und später am Abend kann man hier interessante Bekanntschaften schließen. Kürzlich habe ich erlebt, wie Lucio Dalla inmitten der Gäste sein Piazza Grande sang und alle in den Refrain einstimmten. Aber ehrlich
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