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Die Jaeger der Nacht

Die Jaeger der Nacht

Titel: Die Jaeger der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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hervor und setzt sich. In diesem Moment bemerke ich die beiden Aktenkoffer auf dem Tisch, in denen sich das schwache Quecksilberlicht spiegelt. Sie stehen stramm wie alle anderen im Raum, doch umgeben von einer geheimnisvollen Aura.
    »Wenn es etwas gibt, das ich hasse, dann ist es, im Dunkeln gelassen zu werden. Das ist der kalte steife Arm der Respektlosigkeit. Und so hat sich der Palast in den vergangenen Wochen mehrfach verhalten. Mir gegenüber. Täglich flattern willkürliche Anweisungen ohne Erklärung oder Logik auf meinen Schreibtisch, kurzfristige Änderungen bezüglich der Jagd. Mit meinem scharfen Verstand kann ich zum Glück die Methode erkennen, die sich hinter dem Wahnsinn all dieser Anweisungen verbirgt.« Er zieht die Mundwinkel herunter. »Außer wenn es um dich geht.«
    Ashley June steht rechts neben mir und hat sich bisher nicht gerührt. Ihre Arme hängen schlaff herunter, ihr Gesicht liegt tief im Schatten.
    »Ich habe Recherchen über dich angestellt. Offenbar bist du an deiner Schule ein ziemlicher Überflieger, nicht halb so dumm, wie du dich hier bei uns stellst. Ein schlaues Köpfchen, sagt man. Ein Naturtalent, trotz deiner nur knapp überdurchschnittlichen Noten. Wie heißt es in dem Bericht? Ah ja, du verfügst über eine erstaunliche und enorme Intelligenz, die zum Teil noch brachliegt.« Er zögert. »Ist es vielleicht das, was dir all diese Aufmerksamkeit und Bevorzugung einbringt? Deine sogenannte Intelligenz?« Er starrt mich herablassend und mit der kalten Verachtung eines Mannes an, der sich bedroht fühlt. »Sag mir: Was glaubst du, worum es bei der Jagd geht?«
    Er will mich prüfen, testen. »Darum, Hepra zu jag…«
    »Und sag nicht ›ums Heprajagen‹, weil es nie um die Jagd, die Hepra oder die Hepra-Jagd gegangen ist. Also verwende bitte keines dieser Worte, weder einzeln noch in Verbindung miteinander.«
    »Es geht um den Herrscher«, sage ich, eigenartig ermutigt.
    Sein Blick bohrt sich in meinen, wirkt jedoch nicht mehr bedrohlich. »Ah, vielleicht hat der Bursche doch Verstand. Bitte, sei so gut und erklär das genauer.«
    Ich zögere. »Lieber nicht, glaube ich.«
    Sein Kopf schnellt herum. »Besser doch, denke ich.«
    Nach einer kurzen Pause spreche ich möglichst ruhig und gelassen weiter: »Der Herrscher weiß, dass seine Beliebtheitswerte in jüngster Zeit gesunken sind. Das ist ungerecht, weil er ein wahrhaft dynamischer Führer ist, der beste, den dieses Land in seiner legendären und glorreichen Geschichte je hatte. Aber unser Herrscher interessiert sich weniger für seine Beliebtheitswerte als vielmehr für das Glück seines Volkes. Und nichts erzeugt so viel allgemeine Glückseligkeit und ein Gefühl gesellschaftlicher Verbundenheit wie eine Hepra-Jagd. Zu diesem Zweck lässt er die Hepra-Jagd so fachkundig planen und durchführen. Und es ist natürlich reiner Zufall, dass – wie die Vergangenheit gezeigt hat – nichts seinen Beliebtheitswerten so förderlich ist wie eine Hepra-Jagd.«
    »Bingo«, flüstert der Direktor und schließt begeistert die Augen. »Ich muss schon sagen, das Wunderkind überrascht mich doch.« Er kratzt sich das Handgelenk. »Aber das war eine leichte Frage. Zum Aufwärmen.«
    Ein leichtes Kopfschütteln, bevor er mich wieder direkt ansieht. Ein harter Ausdruck huscht über sein Gesicht. »Erklär mir … das alles«, sagt er und breitet kurz die Arme aus wie eine Ballerina. »Erklär mir den Grund für diese Ausbildungsphase. Denn wer braucht schließlich eine Ausbildung, um Hepra zu jagen? Wozu die idiotischen Vorlesungen, Workshops, Trainingseinheiten? Und erklär mir die Feierlichkeiten, das groß angekündigte Festbankett, die Anwesenheit der Medien, Reporter und Fotografen, die das Institut in diesem Moment überschwemmen? Und erklär mir, warum um alles in der Welt wir die Hepra mit FLUN s bewaffnen.«
    »Es tut mir leid, ich weiß es nicht.«
    »Sag nicht, es tut dir leid«, erwidert er. Und wartet.
    »Doch nicht so clever, was?« Er verzieht verächtlich die Oberlippe und bleckt die Spitzen seiner Reißzähne. »Tatsache ist, dass du einfach nur genauso gewöhnlich bist wie alle anderen hier, all die inkompetenten Institutsmitarbeiter, die mit Intelligenz handgefüttert werden müssen, mit meiner Intelligenz. Sie sind ahnungslos. Hirnlos. Leer im Kopf.« Wütend und mit erhobenem Kinn starrt er mich von oben herab an. »So leer wie dieses Institut«, sagt er voller Bitterkeit. »So leer wie dieses Institut«, wiederholt

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