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Die Jäger des Lichts (German Edition)

Die Jäger des Lichts (German Edition)

Titel: Die Jäger des Lichts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Fukuda
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leer.

6
    Jemand rüttelt mich wach. Davids blasses Gesicht schwebt über mir.
    »Was ist?«, frage ich. Der Himmel ist dunkel. Es ist immer noch Nacht. »Noch mehr Jäger?«
    David schüttelt den Kopf. »Nein. Etwas anderes.«
    »Epap? Geht es ihm gut?«
    »Mit ihm ist alles okay.« David zögert. »Es ist irgendwas … wir wissen nicht genau …«
    Ich bin sofort auf den Beinen. Die Strömung ist heftiger, ja regelrecht reißend geworden, als wäre der Geduldsfaden des Flusses plötzlich und endgültig gerissen. Gischtkronen werden wie Geysire in die Luft geweht und klatschen an Deck, wo sie Abdrücke wie von gespreizten Händen hinterlassen. Der Himmel ist so dunkel und aufgewühlt wie der Fluss, die Wolken sehen aus wie klumpiger schwarzer Schorf.
    Alle sehen mich an, Furcht in ihren aufgerissenen Augen und auf ihren zusammengepressten Lippen.
    »Die Strömung ist so stark, weil es in letzter Zeit so vielgeregnet hat«, versuche ich sie zu beruhigen. »Ich würde mir deswegen keine allzu großen Sorgen machen.«
    »Wir haben die Steuerstangen verloren. Die Strömung hat sie uns aus den Händen gerissen.«
    »Was?«
    »Aber deswegen haben wir dich nicht geweckt«, sagt David. »Hörst du das Geräusch?«
    Zunächst höre ich nur die Wellen, die gegen das Boot schwappen. Aber dann vernehme ich allmählich ein leises Zischen wie Rauschen im Radio, weit entfernt, aber beunruhigend. Ich schließe die Augen, um mich zu konzentrieren. »Es ist vor uns. Weiter den Fluss hinunter.«
    »Zum ersten Mal habe ich es vor zehn Minuten gehört«, sagt Epap leise. »Es war mal da und mal nicht. Aber jetzt. Hör doch. Es wird lauter. Es kommt näher.«
    Ich starre so weit wie möglich den vor uns liegenden Flusslauf hinunter. In der Dunkelheit kann ich kaum fünfzig Meter weit sehen. Sogar die Ufer sind nicht mehr auszumachen. Furcht kratzt wie ein schmutziger Fingernagel über meine Wirbelsäule.
    »Ich glaube, das ist ein Wasserfall«, sagt Epap. »Der Forscher hat uns gelehrt, dass Wasserfälle ein zischendes Geräusch machen, wenn man sich ihnen von Weitem nähert.« Er wendet mir sein gischtbespritztes Gesicht zu. »Was denkst du, Gene?«
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung von Wasserfällen. Bis jetzt dachte ich, so was gibt’s nur in Fantasyromanen.« Ichstarre in die Dunkelheit. Das Zischen klingt jetzt eher wie ein Brausen. Lauter. Unheilvoll.
    »Ich glaube, dieses Boot steuert direkt auf einen Wasserfall zu«, sagt Epap. »Wir müssen ans Ufer schwimmen.« Er sieht mich an, und ich nicke. »Ich bereite das Ankerseil vor.«
    In den nächsten fünfzehn Minuten steigert sich das Wüten des Flusses weiter. Wir werden hin und her geworfen wie auf einem außer Kontrolle geratenen Karussell. Regen prasselt, als würde er voller Wut auf die Erde geschleudert. Und das allgegenwärtige Brausen wird immer lauter. Wir scharen uns um Epap. Er schlingt das Seil um unsere Körper und sichert jeden von uns mit festen Knoten. Wir blinzeln gegen die Gischt und den kalten Wind an und versuchen auf dem wippenden und kreiselnden Boot das Gleichgewicht zu wahren.
    »Seht mich an«, sagt Epap. »Seht mich alle an. Wir müssen vom Boot springen und an Land schwim…«
    »Ich weiß nicht, Epap«, widerspricht Jacob. »Die Strömung ist zu stark. Wir könnten abgetrieben, getrennt oder unter Wasser gezogen werden.«
    »Wir haben keine Wahl!«, ruft er zurück. »Haltet alle das Seil fest. Wenn ihr unter Wasser gezogen oder abgetrieben werdet, haltet euch einfach an dem Seil fest!«
    »Wir werden trotzdem abgetrieben!«, ruft Jacob und schüttelt den Kopf.
    »Nein!«, brüllt Sissy zurück. »Epap hat Recht. Wir müssen springen!«
    Jeweils eine Schlaufe des Seiles um unsere Brust geschlungen und unter den Achselhöhlen verknotet, tippeln wir an den Rand des Bootes. Sissy wendet sich mir zu, ihr Mund ist direkt an meinem Ohr. »Du und ich, wir müssen eng beieinanderbleiben.« Sie überprüft meine Schlaufe, zieht sie fest, bis ihre nassen Fingerknöchel weiß sind. »Die anderen können eigentlich nicht richtig schwimmen. David und Jacob ein bisschen. Aber Ben und Epap werden nur Ballast sein. Hast du verstanden?«
    Ich nicke. Das Boot ist mittlerweile erschreckend schnell. Mir bleibt für einen Moment das Herz stehen, als der Bug kurz in die Luft ragt, bevor er zurück aufs Wasser klatscht.
    »Ich zähle vor!«, ruft Sissy. »Und denkt dran: Nie das Seil loslassen. Strampelt mit den Beinen, aber nicht mit den Armen. Eure Hände lassen das

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