Die Jäger des Lichts (German Edition)
war ein schwerer Verstoß. Der Großältere Krugman hat jedoch entschieden, dass keine weitere Disziplinierung notwendig ist. Für heute Nacht ist eine hinreichende Strafe zugemessen worden. Der Gerechtigkeit ist Genüge getan, die Ordnung ist wiederhergestellt .« Den letzten Satz intoniert sie wie einen Gesang.
»Die Ältestenschaft möchte jedoch ihrem Wunsch Ausdruck verleihen, dass ihr alle in eure Unterkünfte zurückkehrt«, sagt das dritte Mädchen. Sie hat ein schmales flaches Gesicht. »Alle Schlafplatzzuteilungen sind strikt einzuhalten. Wir werden die Jungen zu ihrer Hütte begleiten und das Mädchen zurück auf die Farm bringen.«
Die Jungen sehen sich an.
»Nein«, sagt Epap, »das wird nicht passieren. Wir bleiben alle hier. Von jetzt an sind wir zusammen.«
»Die Ältestenschaft besteht darauf.«
»Genau wie ich«, sagt Epap.
Weil die Mädchen es nicht gewöhnt sind, einem Mann die Stirn zu bieten, geben sie rasch nach. Eine zupft ihr Kleid zurecht. »Ich weiß, was ihr denkt«, sagt sie dann. »Ihr glaubt, was eurer Freundin Sissy heute Nacht passiert ist, wäre schrecklich.«
»Und ist es das nicht?«, frage ich.
Das Mädchen rollt ihren Ärmel hoch. Sie hat drei Brandmale auf dem Unterarm. »Ich war früher auch wild und undiszipliniert. Ich wollte nicht einsehen, dass meine Aufsässigkeit Krebs für die Harmonie der Mission war. Aber mittlerweile bin ich reifer geworden. Und ich kann jetzt aufrichtig sagen, dass ich, seit ich gelernt habe, die Mission über mein eigenes Wohl zu stellen, den Frieden und die Freudegefunden habe, die ich zuvor an lauter falschen Orten gesucht hatte. Ich bin glücklicher, als ich es je für möglich gehalten hätte, vor allem weil ich weiß, dass ich eines Tages mit der höchsten aller Freuden belohnt werde, meinem Fahrschein in die Zivilisation.«
Sie sieht die Skepsis in meinem Blick. »Die Älteren lehren uns – und ich habe das als wahr erkannt –, dass diese Mission damit steht und fällt, wie gut wir uns auf ihre Harmonie einstellen. Deswegen muss jede noch so kleine Abweichung schnell und bei manchen Vergehen leider auch drastisch geahndet werden. Aber dies ist eine friedliche, wunderbare Gemeinschaft. Ihr müsst aufhören, hinter jedem Busch einen Teufel zu suchen. Denn eure Suche ist überflüssig.«
»Du bist drei Mal gebrandmarkt worden«, sage ich und zeige auf ihren Unterarm. »Was passiert, wenn du fünf Schuldmale hast?«
Sie antwortet nicht, sondern zieht nur ihren Ärmel herunter. Ihre linke Augenbraue zuckt. »Wir müssen jetzt gehen«, erklärt sie. Sie und das Mädchen mit dem flachen Gesicht nehmen ihre Körbe mit Verbandszeug, watscheln aus dem Zimmer und marschieren dann mit stampfenden Schritten den Flur hinunter.
Das Mädchen mit den geflochtenen Zöpfen ist sonderbarerweise zurückgeblieben. Sie steht ganz still. Schließlich fährt sie unvermittelt herum und sieht mich an.
»Ihr müsst sehr vorsichtig sein«, flüstert sie drängend und zieht die Brauen ängstlich zusammen.
»Was?«, fragt Epap. Zu laut.
Die Schritte im Flur bleiben stehen und gehen dann weiter, werden jedoch nicht leiser, sondern wieder lauter. Sie kommen zurück. Und zwar schnell. Wie Fäuste, die gegen eine Tür hämmern, lauter und lauter.
»Was ist los?«, frage ich das Mädchen flüsternd.
Aber es ist schon zu spät. Das Mädchen hört die anderen näher kommen und sammelt sich eilig. »Dürfen wir euch wenigstens etwas zu essen bringen?«, fragt sie laut. Die anderen Mädchen stehen jetzt in der Tür und mustern sie neugierig.
»Nein«, antworte ich. »Nicht nach dem, was heute mit der Suppe passiert ist.«
Das Mädchen watschelt aus dem Zimmer, ihre Zöpfe wippen auf und ab.
Das Trio stampft die Treppe hinunter. Wir hören, wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wird. Und dann sind sie weg.
27
»So sieht es also aus«, sage ich zu den Jungen. Nach dem langen Vortrag ist meine Stimme brüchig und heiser. »Wir müssen entscheiden, was wir machen. In den Zug steigen oder nicht.«
In der vergangenen Stunde habe ich ihnen alles berichtet, was Krugman Sissy und mir in seinem Büro erzählt hat. Über die Welt, die Geschichte der Schatter, den Forscher und den Ursprung. Zwischendurch habe ich ihnen immer wieder Zeit gelassen, die Informationen zu verdauen, und Holz ins Feuer gelegt oder nach Sissys Arm gesehen. Auch ich selbst brauchte diese Pausen. Denn bei all dem, was passiert war – dem Beinahe-Kampf in Krugmans Büro, dem
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