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Die Jaegerin

Die Jaegerin

Titel: Die Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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wovon er sprach, zog er sein Hemd aus, riss einen Fetzen Stoff heraus und presste ihn fest gegen ihren Hals.
    Alexandra konnte sich kaum mehr erinnern, was danach geschehen war. Sie wusste, dass Gavril sie davor bewahrt hatte, zu verbluten. Wie viele Momente hatte es seither gegeben, in denen sie sich wünschte, er hätte sie einfach sterben lassen! Zehn Jahre waren seitdem vergangen, zehn Jahre, in denen sie versucht hatte die Erinnerung zu verdrängen. Natürlich konnte sie nicht vergessen, was geschehen war. Der Gedanke an den Tod ihrer Eltern und an das, was der Unendliche ihrem Bruder angetan hatte, trieb sie jeden Tag aufs Neue an, ihn zu finden und zu vernichten. Die grauenvollen Bilder jedoch hatte sie in einen Winkel ihres Verstandes verbannt, wo sie zehn Jahre lang sorgsam verschlossen geblieben waren. Bis der Anblick des Unendlichen jenes Schloss geöffnet und alle Bilder freigelassen hatte. Selbst die tiefe Narbe, wo Viktors Zähne sich in ihren Leib gegraben und ein Stück Fleisch herausgerissen hatten und die sie stets unter einem hochgeschlossenen Hemd verbarg, hatte sie ignoriert. Jetzt jedoch pochte sie schmerzhaft.
    Noch immer zitternd erhob sich Alexandra. Sie musste sich an der Wand abstützen, um nicht zu straucheln. Einen Moment blieb sie so stehen und atmete mehrmals tief ein und aus. Was habe ich geglaubt! , schalt sie sich selbst. Dass es leicht werden würde, dem Unendlichen gegenüberzutreten? Dass ich einfach vergessen könnte, was er getan hat? Sie schüttelte den Kopf. »Ich werde dich vernichten«, sagte sie in den Raum hinein. »Und mit dir werden die Bilder und Erinnerungen verblassen!«
    Sie hob den Silberdolch auf, den er fallen gelassen hatte, und blickte auf das Blut, das auf der Klinge getrocknet war. Silber konnte ihm also nichts anhaben. Dann werde ich etwas anderes finden, das dazu in der Lage ist. Ihre Schritte waren noch immer ein wenig unsicher, als sie zur Waschschüssel ging und sich daranmachte, die Klinge zu säubern.
    Damals, in der Schankstube, während Gavril um ihr Leben gekämpft hatte, war sie Zeugin eines Schwurs geworden. Vladimir und Mihail hatten sich die Handflächen aufgeritzt und ihr Blut auf den Boden tropfen lassen, auf jene Stelle, wo Viktors Körper zu Staub zerfallen war. »Wir werden nicht ruhen, ehe dein Tod gerächt und die Kreatur, die ihn verantwortet, vernichtet ist!«
    »Welche Kreatur?«, hatte Alexandra leise gefragt.
    Da hatte Gavril ihr von den Vampyren erzählt. Jenen Wesen, die das Land angeblich seit Jahrhunderten heimsuchten. Bisher hatte er selbst nicht daran geglaubt, hatte nur die Geschichten gekannt, die Vladimir und Mihail mitgebracht hatten, als sie aus der Armee zurückgekehrt waren. Jetzt jedoch war auch er bereit zu glauben.
    Der Unendliche.
    Blutschlieren durchzogen das Wasser, nachdem die silberne Klinge gereinigt war. Alexandra trocknete die Waffe und verstaute sie wieder neben der Pistole in ihrem Hosenbund. Während der letzten Jahre hatten ihr die Waffen unschätzbare Dienste geleistet. Dass sie ausgerechnet im Kampf gegen den Unendlichen nutzlos zu sein schienen, machte ihr Angst. Nichtsdestotrotz würde sie einen Weg finden! Sie war nicht so weit gekommen, um jetzt aufzugeben!
    Während sie sich damals noch von ihrer Verletzung erholte, waren Vladimir, Mihail und Gavril aufgebrochen. Gavril hatte ihr gesagt, dass sie vorhatten, die Kreatur zu jagen und zur Strecke zu bringen. »Wir werden den Tod deiner Familie rächen.« Er hatte ihr auch gesagt, sie würden der Reiseroute der Kutsche folgen und hofften, dass der Unendliche tatsächlich auf dem Weg nach Wien sein mochte, wie seine Begleiter behauptet hatten.
    Einen Tag später war Alexandra ihnen gefolgt. Sie hatte Abstand gehalten und sich erst zu erkennen gegeben, als sie weit genug von zu Hause entfernt waren. Dennoch wollte Vladimir sie fortschicken. Gavril jedoch hatte darauf bestanden, sie nicht schutzlos zurückzulassen. Mit seiner Hilfe konnte sie Vladimir und Mihail schließlich überzeugen sie mitzunehmen. Sie hatte Mihail sogar dazu gebracht, ihr zu zeigen, wie man kämpfte. Dennoch war ihre Jagd erfolglos geblieben. Der Unendliche war wie vom Erdboden verschwunden. Eine Weile zogen sie rastlos umher in der Hoffnung, wieder auf seine Spur zu stoßen. Schließlich mussten sie einsehen, dass das nichts bringen würde. Da kam Alexandra der Gedanke, dass sie, wenn es ihnen jemals gelingen sollte, die Kreatur aufzuspüren, mehr über sie in Erfahrung bringen

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