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Die Jaegerin

Die Jaegerin

Titel: Die Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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einzumieten. Sie war etwa drei Viertel der Straße abgegangen, als ihr ein Haus ins Auge sprang. Das einzige, in dem in allen Räumen die Vorhänge vorgezogen waren. Hier musste es sein! Trotzdem hielt sie nicht inne. Sie folgte der Straße bis zum Ende, nur um sicherzugehen, dass es nicht noch weitere auffällige Häuser gab. Das Haus mit den vorgezogenen Vorhängen war tatsächlich das einzige. Auf dem Weg zurück war sie in eine Seitengasse gebogen und hatte sich ein Stück parallel zur Clyde Street bewegt, ehe sie sich dem Haus von einer Einmündung auf der gegenüberliegenden Straßenseite wieder genähert hatte. Bevor sie die Straßenecke erreichte, blieb sie stehen. Hier, im Schatten eines Hauses verborgen, hatte sie die letzten Stunden ausgeharrt und den Unterschlupf der Vampyre beobachtet. Die Zeit strich zäh dahin. Endlich kroch die Dämmerung über die Clyde Street und löschte allmählich das trübe Licht des wolkenverhangenen Nachmittages. Mit der Nacht kam die Kälte. Alexandra zog ihren Mantel enger und schlug den Kragen hoch. Im Haus tat sich noch immer nichts. Inzwischen war es vollends dunkel, doch niemand machte sich die Mühe, eine Lampe zu entzünden. Dann endlich, als sie schon fürchtete ihre Zeit zu verschwenden, wurde die Tür geöffnet und die beiden Vampyre traten aus dem Haus. Während die Frau an der Tür wartete, winkte der Mann eine Droschke herbei. Die beiden Vampyre stiegen ein und einen Moment später rollte das Gefährt davon.
    Alexandra harrte noch eine Weile in ihrem Versteck aus, um sicherzugehen, dass sie nicht einen Atemzug später zurückkehrten. Schließlich wagte sie sich hervor und überquerte die Straße. Mit einer Selbstverständlichkeit, die jeden Beobachter zu dem Schluss veranlasst hätte, sie gehöre hierher, öffnete sie das Gartentor und betrat das Grundstück. Kurz vor der Eingangstür schwenkte sie nach links und ging um das Haus herum. Zwischen dem Haus der Vampyre und dem Nachbaranwesen blieb sie stehen und vergewisserte sich mit einem raschen Blick, dass sie nicht beobachtet wurde. Nachdem sie sicher war, allein zu sein, hob sie einen Stein auf und schlug damit ein Fenster ein. Sie wickelte ihren Mantel um den Arm und drückte die scharfkantigen Scherben aus dem Rahmen, ehe sie durch das Fenster ins Haus schlüpfte. Im Schutze des bodenlangen Vorhangs hielt sie inne und lauschte. Alles war ruhig. Vorsichtig verließ sie ihre Deckung und fand sich in der Küche wieder. Nachdem sie nicht wusste, wie viel Zeit ihr bis zur Rückkehr der Vampyre blieb, hielt sie sich nicht mit langem Umhersehen auf. Sie war sich jetzt sicher, dass sie allein war. Dann griff sie nach einer Lampe und entzündete sie. Mit dem Licht in der Hand durchquerte sie die Küche, drückte die Schwingtür auf und stand in einer großen Eingangshalle. Ihre Augen folgten der Treppe nach oben. Wo würden sie die fehlende Seite aufbewahren? In einem der Schlafzimmer? Im Salon? Alexandra beschloss ihr Glück zunächst im Salon zu versuchen, ehe sie sich nach oben wagen wollte.
    Das regelmäßige Ticken einer Standuhr mischte sich unter das aufgeregte Schlagen ihres Herzens. Obwohl ein dicker Teppich ihre Schritte dämpfte, bewegte sie sich vorsichtig. Das Licht der Lampe huschte über einen Kamin, erfasste einen Sessel und ein großes Sofa, den Tisch davor und eine Vitrine im hinteren Teil des Raumes. Alexandras Augen hefteten sich auf den Tisch. Dort lagen allerhand Papiere verteilt. Neugierig trat sie näher und stellte die Lampe auf einer freien Ecke ab. Ihre Augen wanderten über die Papiere. Das meiste davon waren handschriftliche Aufzeichnungen. Alle in derselben Handschrift. Sie konnte unmöglich die gesamten Aufzeichnungen lesen. Nicht jetzt. Ihr Blick huschte über die Seiten, ehe er an zwei Worten hängen blieb. Der Unendliche. Rasch überflog sie die Seite. Der Text handelte davon, dass der Unendliche der Keim allen Vampyrismus war und der Fluch mit seiner Vernichtung ein Ende fände. Hatten die beiden etwa vor, den Unendlichen zu töten? Welcher Vampyr würde freiwillig seine eigene Existenz vernichten? Alexandra schüttelte den Kopf. Alle Vampyre verehrten den Unendlichen, als wäre er ihr Gott, dessen war sie sich sicher. Er war ihr Schöpfer. Es musste etwas anderes sein, worauf die beiden aus waren. Aber warum war der Vampyr vergangene Nacht so verstohlen um das Anwesen des Unendlichen herumgeschlichen? Warum hatte er sich seinem Meister nicht einfach gezeigt, um ihm die Ehre zu

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