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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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entkommen.«
    Egwene fuhr einfach fort, als habe Min nichts gesagt: »Sie schulen mich, Min. Die Sul’dam und ihre A’dam bilden mich aus. Ich kann nichts berühren, was ich selbst für eine Waffe halte. Vor ein paar Wochen wollte ich Renna diesen Krug über den Schädel hauen, und daraufhin konnte ich drei Tage lang kein Waschwasser mehr ausgießen. Ich musste nicht nur den Gedanken aufgeben, sie damit zu schlagen, nein, ich musste mich auch noch selbst überzeugen, dass ich sie niemals, unter gar keinen Umständen, damit schlagen würde. Erst dann konnte ich den Krug wieder berühren. Sie wusste, was geschehen war, und schrieb mir vor, was ich tun müsse. Ich durfte mich ausschließlich in eben dieser Schüssel und diesem Krug waschen und nirgends sonst. Du hast Glück, dass es zwischen deinen Besuchstagen geschah. Renna ließ mich nämlich von früh bis spät schuften, und abends fiel ich völlig erschöpft ins Bett. Ich bemühe mich schon, Widerstand zu leisten, aber sie bilden mich genauso weiter aus wie Pura.« Sie schlug sich die Hand über den Mund und stöhnte auf. »Sie heißt Ryma. Ich muss an ihren richtigen Namen denken und nicht an den, den sie ihr gegeben haben. Sie heißt Ryma, gehört zu den Gelben Ajah und hat so lange und hart gegen sie gekämpft, wie sie nur konnte. Es ist nicht ihre Schuld, dass sie nun keine Kraft mehr hat, sich dagegen aufzulehnen. Ich möchte wissen, wer die andere Schwester ist, die Ryma erwähnte. Ich hätte gern ihren Namen gewusst. Erinnere dich an uns beide, Min, an Ryma von den Gelben Ajah und an Egwene al’Vere. Nicht Egwene, die Damane , sondern Egwene al’Vere aus Emondsfelde. Schaffst du das?«
    »Hör auf!«, fauchte Min. »Hör augenblicklich damit auf! Wenn du nach Seanchan gebracht wirst, bin ich dabei. Aber ich glaube nicht, dass es so weit kommt. Du weißt, dass ich in deiner Zukunft herumgestöbert habe, Egwene. Ich verstehe wohl das meiste nicht, und das ist fast immer so, aber ich sehe Dinge, die dich eindeutig mit Rand verbinden und mit Perrin und Mat, ja, und sogar mit Galad, Licht, hilf dir, Närrin. Wie kann das alles geschehen, wenn die Seanchaner dich übers Meer verfrachten?«
    »Vielleicht werden sie die ganze Welt erobern, Min. Falls sie das schaffen, gibt es keinen Grund, warum Rand und Galad und die anderen nicht auch in Seanchan landen sollten.«
    »Du bist doch eine dumme Gans!«
    »Ich bin nur realistisch«, sagte Egwene mit harter Stimme. »Ich habe nicht vor, den Widerstand einzustellen, nicht, solange ich noch atmen kann, aber ich habe keine Hoffnung, dass jemand die Seanchaner aufhalten kann und dass ich dieses A’dam jemals loswerde. Min, wenn dieser Kapitän dich mitnehmen will, dann geh mit. Dann ist wenigstens eine von uns frei.«
    Die Tür öffnete sich, und Renna trat ein.
    Egwene sprang auf und verbeugte sich tief, und Min tat es ihr nach. Das winzige Zimmer war ziemlich eng, aber die Seanchaner bestanden darauf, dass Höflichkeitsregeln vor Bequemlichkeit kamen.
    »Dein Besuchstag heute, nicht wahr?«, fragte Renna. »Das hatte ich vergessen. Na ja, auch an Besuchstagen geht die Ausbildung weiter.«
    Egwene beobachtete sie genau. Die Sul’dam nahm das Armband vom Haken, öffnete es und ließ es am Handgelenk wieder zuschnappen. Sie konnte aber einfach nicht feststellen, wie es sich öffnete oder schloss. Sie hätte es herausbekommen, hätte sie die Eine Macht eingesetzt, doch das wäre Renna sofort aufgefallen. Als das Armband zuschnappte, blickte die Sul’dam plötzlich misstrauisch drein. Egwenes Herz wurde schwer.
    »Du hast die Macht gebraucht.« Rennas Stimme klang täuschend mild, doch in ihren Augen stand der Ärger geschrieben. »Du weißt, das ist verboten, wenn wir nicht vollständig sind.« Egwene befeuchtete die Lippen. »Vielleicht war ich zu großzügig mit dir. Vielleicht glaubst du auch, weil du jetzt wertvoll bist, ließe ich dir freien Lauf. Ich glaube, es war ein Fehler, dir deinen alten Namen zu lassen. Ich hatte als Kind ein Kätzchen namens Tuli. Von nun an heißt du Tuli. Min, du gehst jetzt. Dein Besuchstag bei Tuli ist zu Ende.«
    Min zögerte nur kurz und warf Egwene einen gequälten Blick zu. Dann ging sie. Nichts, was sie sagte oder tat, hätte geholfen. Im Gegenteil, sie hätte die Lage nur verschlimmert. Egwene blickte sehnsuchtsvoll zur Tür, als sie sich hinter ihrer Freundin schloss.
    Renna holte sich den Stuhl heran und sah Egwene finster an. »Für diese Sache muss ich dich streng bestrafen.

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