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Die Jagd beginnt

Die Jagd beginnt

Titel: Die Jagd beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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hätte sie eine der berüchtigten Schimpfkanonaden der Amyrlin über sich ergehen lassen müssen – die meisten Frauen, so stark sie auch waren, überstanden das nur mit großen Augen und weichen Knien –, aber dieser Gesichtsausdruck lag ihr nicht. Sie sah eher zornig aus, aber das diente ungefähr dem gleichen Zweck. Sie war sich der anderen Frauen im Vorraum kaum bewusst. Sie glaubte zu bemerken, dass einige gegangen und andere dafür gekommen waren, seit sie hineingegangen war, aber sie blickte sie nur flüchtig an. Es wurde spät, und es gab viel zu tun, bis der Morgen kam. Viel, bevor sie wieder mit der Amyrlin sprechen würde.
    Sie beschleunigte ihre Schritte und ging tiefer in die Festung hinein.
    Die Kolonne war ein beeindruckender Anblick, wie sie sich unter dem zunehmenden Mond mit klirrendem Pferdegeschirr durch die Dunkelheit von Tarabon vorwärtsschob. Allerdings war niemand da, der den Anblick hätte genießen können. Ganze zweitausend Kinder des Lichts, gut beritten, in weißen Wappenröcken und Umhängen, mit polierten Rüstungen, dazu der Zug der Proviantwagen und ihre Fahrer sowie die Pferdeknechte mit den Leinen voll Ersatzpferden … Es gab in diesem spärlich bewaldeten Gebiet durchaus Dörfer, doch sie hatten die Straßen verlassen und hielten sich fern von den Gehöften der Bauern. Sie sollten … jemanden … treffen, und zwar in einem winzigen Dorf in der Nähe der nördlichen Grenze von Tarabon, am Rande der Ebene von Almoth.
    Geofram Bornhald, der an der Spitze seiner Männer ritt, fragte sich, was das alles bedeuten mochte. Er erinnerte sich nur zu gut an sein Gespräch mit Pedron Niall, dem Kommandeur der Kinder des Lichts in Amador, aber er hatte dort wenig erfahren.
    »Wir sind allein, Geofram«, hatte der weißhaarige Mann gesagt. Seine Stimme klang dünn und altersschwach. »Ich erinnere mich daran, wie ich dir den Eid abnahm … vor … vor sechsunddreißig Jahren war das wohl.«
    Bornhald richtete sich auf. »Mein Lordhauptmann und Kommandeur, darf ich fragen, warum ich mit solcher Dringlichkeit aus Caemlyn zurückgerufen wurde? Ein kleiner Stoß, und Morgase wäre gestürzt gewesen. Es gibt Häuser in Andor, die den Beziehungen mit Tar Valon gegenüber die gleiche Haltung einnehmen wie wir, und sie waren bereit, den Thron zu besteigen. Ich übergab das Kommando an Eamon Valda, aber er schien vor allem der Tochter-Erbin nach Tar Valon folgen zu wollen. Ich wäre nicht überrascht zu erfahren, dass der Mann das Mädchen gefangen oder sogar Tar Valon angegriffen hat.« Und Dain, Bornhalds Sohn, war gerade noch eingetroffen, bevor Bornhald abberufen worden war. Dain war von Eifer erfüllt. Übereifer bisweilen. Genug, um blind auf alles einzugehen, was Valda vorschlug.
    »Valda wandelt im Licht, Geofram. Aber du bist der beste Kampfstratege unter den Kindern. Du wirst eine ganze Legion einberufen, die besten Männer, die du finden kannst, und sie nach Tarabon bringen. Doch meide jedes Auge, das mit einer Zunge verbunden ist, die sprechen kann. Jede solche Zunge muss zum Schweigen gebracht werden, falls das Auge euch gesehen hat.«
    Bornhald zögerte. Fünfzig der Kinder oder sogar hundert konnten ohne großes Aufsehen ein Land betreten, oder zumindest, ohne offene Fragen auszulösen, doch eine ganze Legion … »Bedeutet das Krieg, mein Lordhauptmann und Kommandeur? Es wird auf der Straße davon gesprochen. Meist sind es wilde Gerüchte über die Rückkehr des Heers von Artur Falkenflügel.« Der alte Mann sagte nichts. »Der König …«
    »Kommandiert die Kinder nicht, Lordhauptmann Bornhald.« Zum ersten Mal klang Härte in der Stimme des Kommandeurs mit. »Aber ich. Lasst den König in seinem Palast sitzen und tun, was er am besten kann, nämlich nichts. Du wirst in einem Dorf namens Alcruna erwartet, und dort wirst du deine endgültigen Befehle erhalten. Ich erwarte, dass deine Legion in drei Tagen losreitet. Geh jetzt, Geofram. Du hast eine Menge zu tun.«
    Bornhald legte die Stirn in Falten. »Verzeiht, mein Lordhauptmann und Kommandeur, doch wer wird mich erwarten? Warum muss ich einen Krieg mit Tarabon riskieren?«
    »Man wird dir alles sagen, was du wissen musst, wenn du Alcruna erreichst.« Der Kommandeur sah plötzlich älter aus, als er war. Geistesabwesend zupfte er an seinem weißen Gewand herum, auf dessen Brustteil der goldene Sonnenaufgang der Kinder aufgestickt war. »Es sind Mächte jenseits deiner Kenntnisse am Werk, Geofram. Jenseits dessen sogar, was du

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