Die Jagd des Adlers
schlank war, verriet ihre Haltung Anmut und Autorität. Einen Augenblick lang starrte sie die beiden Männer an, die auf die Schwelle ihres Hauses zukamen.
»Symeon ben Jonas«, sagte sie streng und fuhr auf Griechisch fort: »Ich habe dich mehr als ein Jahr lang nicht gesehen, und jetzt tauchst du mit einem betrunkenen römischen Soldaten vor meiner Haustüre auf. Was hat das zu bedeuten?«
»Er ist nicht betrunken. Er ist verletzt und braucht deine Hilfe. Außerdem ist er recht schwer. Eine zusätzliche Hand wäre ganz nützlich.«
Die Frau stieß eine Art missbilligendes Seufzen aus, trat aber an Catos freie Seite, um ihn zu stützen. Als sie etwas von seinem Gewicht auf ihre eigenen Schultern verlagerte, rührte sich Cato. Er drehte ihr den Kopf zu und stellte sich lächelnd vor. »Centurio Quintus Licinus Cato, zu Diensten.«
»Du bist willkommen in meinem Haus, Centurio.«
»Und wessen Haus ist das?«
»Diese Frau ist eine alte Freundin von mir«, erklärte Symeon. »Miriam von Nazareth.«
Cato war noch immer verwirrt, und er hatte große Mühe, seine augenblickliche Lage zu begreifen. »Nazareth? Das kann nicht Nazareth sein.«
»Das ist es auch nicht. Wir sind in einem Dorf namens Heshaba.«
»Heshaba. Das ist nett. Wer wohnt hier?«
»Wir sind eine religiöse Gemeinschaft«, sagte Miriam. »Wir sind Anhänger von Jehoshua.«
Jehoshua … Cato musste einen Augenblick lang nachdenken, bevor ihm einfiel, dass das der Mann war, den die Römer hingerichtet hatten. Er sah in die Gesichter der Dorfbewohner, und ein kalter Schauer rann ihm den Rücken hinab.
KAPITEL 7
M acro ritt bewusst langsamer, als die Briganten die Weggabelung erreichten, um sicherzustellen, dass er es wäre, den sie verfolgen würden. Sobald er sah, dass sie an dem Seitenweg vorbeigaloppierten, drückte er seinem Pferd die Fersen in die Flanken, und das Tier stürmte mit donnernden Hufen voran. Er warf einen Blick zurück und erkannte, dass die Briganten nur etwa zweihundert Schritte hinter ihm waren. Sollte sein Pferd stürzen oder auch nur zu rasch ermüden, würden sie ihn in kürzester Zeit einholen. Ein Römer gegen dreißig oder mehr Feinde. Kein gutes Verhältnis, dachte er grimmig. Wenn er nur einen Bogen hätte und damit so geschickt wäre wie Symeon. Noch nie hatte er solche Schießkünste gesehen, auch wenn er schon davon gehört hatte. Nur von einer Nation im Osten erzählte man sich, dass sie in der Lage sei, solche Meisterleistungen mit dem Bogen zu vollbringen. Die Parther. Was bedeuten würde, dass … Sein Magen schien sich in Eis zu verwandeln. Wenn Symeon ein Spion der Parther war, dann hatte er Cato einem der ältesten und bittersten Feinde Roms ausgeliefert. Doch das konnte nicht sein. Symeon sah nicht wie ein Parther aus. Er hörte sich auch ganz gewiss nicht wie einer an, und schließlich hatte er ihnen erst einen Tag zuvor das Leben gerettet. Wer genau war Symeon von Bethsaida dann?
Sollte er seinen Verfolgern entkommen, sagte sich Macro, würde er das herausfinden. Doch im Moment gab es nur eines, das zählte: Er durfte Bannus und seinen Männern nicht in die Hände fallen. Nicht im Geringsten zweifelte er daran, dass Bannus die Rache, die er für den Tod seiner Sikarier nehmen wollte, qualvoll in die Länge ziehen würde. Wieder warf er einen Blick zurück und erkannte, dass seine Verfolger noch immer ein gewisses Stück hinter ihm waren und die Entfernung nicht geringer zu werden schien.
»Lauf, mein Mädchen!«, rief er seinem Pferd zu. »Lauf, als ob wir die letzte Runde im Circus Maximus vor uns hätten.«
Das Tier schien Macros Lebenswillen zu spüren und reckte den Hals, während seine Hufe über die unbefestigte Straße donnerten. Vor sich konnte Macro die Soldaten sehen, und er war sicher, dass die Entfernung zu ihnen immer kleiner wurde. Das war wenigstens ein kleiner Trost, denn dadurch würden sich seine Aussichten verbessern, falls es den Briganten gelang, die Kolonne einzuholen. Ein besseres Verhältnis, aber dasselbe Ergebnis, dachte Macro. Immerhin wäre er so in der Lage, mehr von diesen Bastarden mit in den Tod zu nehmen, wenn einige Männer an seiner Seite kämpften.
Er stürmte weiter durch die Wüste, doch der lange Weg forderte seinen Tribut. Macros Pferd hatte kaum noch Kraftreserven; es verlor immer mehr an Geschwindigkeit, und kurz darauf war es nur noch zu einem langsamen Galopp in der Lage. Ein rascher Blick nach vorn und ein weiterer über seine Schulter zeigten ihm, dass
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