Die Jagd des Adlers
Schwadronen der Siedlung. Scrofa ritt an der Spitze der Kolonne in das Dorf und ließ seine Männer vor Miriams Haus anhalten, bevor er mit derselben Ungeschicklichkeit aus dem Sattel stieg, mit der er hineingehievt worden war. Er musterte Cato und Symeon.
»Der verschwundene Centurio und sein Führer, nehme ich an.«
»Centurio Quintus Licinius Cato, Herr.« Cato verbeugte sich.
»Ich bin froh, dass es unserer kleinen Expedition gelungen ist, dich zu finden, bevor Bannus und sein Abschaum dich entdeckt haben.«
Cato lächelte matt. »Bis vor Kurzem waren die Briganten noch hier, Herr. Macros Männer haben sie vertrieben.«
Scrofa starrte ihn eisig an. »Das sind nicht Centurio Macros Männer. Es sind meine Männer, bis er den Beweis dafür vorlegen kann, dass er hierhergesandt wurde, um mich abzusetzen. Meine Männer. Hast du das verstanden?«
»Ja, Herr.«
»Gut.« Scrofa nickte. Dann ließ er seinen Blick über das Dorf schweifen, bis er Miriam entdeckte, die von der Bank unter ihrem Sonnendach aus zu ihnen hinübersah. »Du hast gesagt, dass der Feind sich im Dorf aufgehalten hat, als Centurio Macro eintraf?«
»So ist es, Herr.«
»Was haben die Männer hier gesucht?«
»Sie wollten, dass man ihren Verwundeten hilft«, antwortete Cato voller Unbehagen.
»Also haben die Leute aus dem Dorf den Briganten geholfen?«
»Nein. Die Briganten haben die Dorfbewohner gezwungen , ihnen zu Diensten zu sein. Sie haben sie bedroht.«
»Das sehen wir uns genauer an.« Scrofa deutete auf Miriam. »Bringt die da zu mir.«
Miriam hatte die Unterhaltung mit angehört. Sie stand auf und ging auf die beiden römischen Offiziere zu, wobei sie den Präfekten herausfordernd ansah. »Was willst du von mir, Römer?«
Scrofa war einen Moment lang sprachlos angesichts ihres sicheren Auftretens, doch es gelang ihm, sich rasch wieder zu fassen. Er räusperte sich. »Anscheinend hast du den Briganten Zuflucht gewährt.«
»Ja, aber wie dein Centurio schon gesagt hat: Ich hatte keine Wahl.«
»Man hat immer eine Wahl«, erwiderte Scrofa in herablassendem Ton. »Du hättest dich ihnen widersetzen müssen, was auch immer die Folgen gewesen wären. Genau genommen war es sogar deine Pflicht, dich ihnen zu widersetzen.«
»Sich ihnen widersetzen – womit?« Miriam hob den Arm und deutete auf die Häuser um sie herum. »Wir haben keine Waffen, denn wir erlauben hier keine. Meine Leute glauben einzig und allein an den Frieden. In deinem Konflikt mit Bannus werden wir uns auf niemandes Seite schlagen.«
Scrofa stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Ihr werdet euch auf niemandes Seite schlagen? Wie kannst du es wagen, Weib! Bannus ist ein gewöhnlicher Krimineller, ein Bandit. Er steht außerhalb des Gesetzes. Wenn du nicht gegen ihn bist, dann bist du unweigerlich für ihn.«
Miriam lachte und schüttelte den Kopf. »Nein. Wir sind nicht für ihn. Genauso wenig, wie wir für Rom sind.«
»Wofür seid ihr dann?«, knurrte Scrofa.
»Ein Glaube für alle Menschen unter dem einen wahren Gott.«
Cato, der die Konfrontation beobachtete, sah die Verachtung in Scrofas Gesicht und konnte sie gut verstehen. Wie die meisten Römer glaubte Scrofa an viele Götter, und er akzeptierte, dass die Völker der Welt das Recht hatten, zu ihren eigenen Göttern zu beten. Die Judäer jedoch bestanden darauf, dass es nur einen Gott gab – ihren Gott – und dass alle anderen wertlose Götzen waren, was in Scrofas Augen nichts als simple Arroganz darstellte. Wobei sich darüber hinaus die Frage ergab: Wenn der Gott dieses Volkes der allerhöchste Herrscher war, wie kam es dann, dass Judäa eine römische Provinz war – anstatt umgekehrt?
Ein tiefes Stöhnen unterbrach die allgemeine Anspannung, und alle drehten sich nach dem Briganten um, der auf dem Boden neben der Eingangstür von Miriams Haus zu sich kam. Seine Lider flatterten. Dann öffnete er die Augen und zuckte zusammen, als er um sich herum all die römischen Offiziere samt ihren Hilfstruppen sah. Er setzte sich auf und schob sich rasch nach hinten an die Wand, während Macro zu ihm trat und mit dem Schwert auf ihn deutete. »Was sollen wir mit dem da machen?«
Scrofa betrachtete den Mann einen Augenblick lang. Dann verschränkte er die Arme und sagte: »Kreuzigt ihn. Hier, mitten auf dem Dorfplatz.«
»Was?« Cato traute seinen Ohren nicht. »Er ist ein Gefangener. Er muss verhört werden. Vielleicht besitzt er nützliche Informationen.«
»Kreuzigt ihn«, wiederholte Scrofa.
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