Die Jagd des Adlers
»Und dann brennt das Haus dieser Frau nieder.«
»Nein!« Cato trat dem Präfekten direkt gegenüber. »Sie hat uns beiden das Leben gerettet. Und dabei ihr eigenes Leben riskiert. Du kannst ihr Haus nicht zerstören.«
Scrofa runzelte die Stirn und holte zischend Luft, bevor er mit leiser, wütender Stimme fortfuhr: »Die Frau gibt zu, dass sie dem Feind geholfen hat, und sie bestreitet die Autorität des Kaisers. Das werde ich nicht hinnehmen. Diesen Leuten muss eine Lektion erteilt werden. Entweder sind sie für uns, oder sie sind gegen uns.«
Scrofa drehte sich zu Miriam um. »Sie kann dann darüber nachdenken, während sie zusieht, wie ihr Haus abbrennt.«
Miriam erwiderte seinen Blick, indem sie ihn mit zusammengepressten Lippen voller Verachtung ansah.
Catos Herz hämmerte heftig. Er war entsetzt über die offensichtliche Ungerechtigkeit der Entscheidung des Präfekten. Sie war sinnlos. Schlimmer als sinnlos – bewusst falsch. Wenn das der Lohn Roms für Menschen war, die alles riskiert hatten, um Soldaten zu helfen, dann würden die Menschen Judäas niemals in Frieden mit dem Reich leben. Doch das war noch nicht alles, dachte Cato. Eine solche Bestrafung war auch moralisch falsch, und das konnte er nicht zulassen. Er schüttelte den Kopf und blieb in starrer Haltung vor dem Präfekten stehen, während er sich zwang, so ruhig wie möglich zu sprechen.
»Du kannst dieses Haus nicht niederbrennen, Herr.«
»Ach, kann ich nicht?« Scrofa wirkte amüsiert. »Das werden wir gleich sehen.«
»Du kannst es nicht tun!«, platzte Cato heraus. »Ich werde es nicht zulassen.«
Der amüsierte Ausdruck verschwand aus Scrofas Augen. »Wie kannst du es wagen, meine Autorität in Frage zu stellen, Centurio? Ich könnte dich deswegen degradieren. Ich könnte dich aburteilen lassen. Genau genommen …«
Bevor er fortfahren konnte, mischte sich Macro ein. Er packte Catos Arm und zog seinen Freund in Richtung Sonnendach. »Der Junge hat einen heftigen Schlag gegen den Kopf bekommen, Herr. Er weiß nicht, was er sagt. Komm, Cato, setz dich in den Schatten. Du musst dich ausruhen.«
»Ausruhen?« Cato starrte ihn an. »Nein. Ich muss diesen Wahnsinn aufhalten.«
Macro schüttelte den Kopf. Er schob Cato energisch aus der Reichweite des Präfekten und flüsterte: »Halt die Klappe, du Idiot, bevor ich dich zum Schweigen bringen muss.«
»Was?« Cato sah ihn schockiert an, während Macro ihn zur Bank im Schatten zog.
»Du wirst dich jetzt hinsetzen und nichts mehr sagen.« Cato machte eine verneinende Geste, doch Macro klemmte die Hand seines Freundes unter seinen Arm und zischte: »Setz dich hin!«
Cato war verwirrt. In seinem Kopf drehte sich alles. Scrofa stand kurz davor, eine monströse Ungerechtigkeit zu begehen, und dem würde Cato sich widersetzen müssen, das wusste er. Und doch hatte Macro sich auf Scrofas Seite geschlagen. Er war offensichtlich fest entschlossen, jeden weiteren Protest Catos zu verhindern, und Cato sackte hilflos in sich zusammen, als sein Blick auf Miriam fiel. Ihre Miene war grimmig, doch sie konnte die Tränen nicht verbergen, die in ihren Augenwinkeln hingen. Nach kurzem Zögern legte Symeon seinen Arm um sie und führte sie ins Haus.
»Miriam, lass uns retten, was wir noch retten können. Solange noch Zeit ist.«
Sie nickte, als die beiden in den schattigen Räumen verschwanden.
Die Abenddämmerung kam, als die Kolonne das Dorf verließ. Cato, der zwischen Macro und Symeon ritt, warf einen letzten Blick über die Schulter zurück. Flammen knisterten und knackten, während das Feuer Miriams Haus verschlang. Sie stand einige Schritte davon entfernt und umarmte ihren Enkel. Einige Dorfbewohner waren ebenfalls stehen geblieben und starrten in das Inferno. Etwas versetzt daneben – und wegen der Flammen nur in Umrissen zu erkennen – hing der Brigant an einem notdürftig errichteten Kreuz, das einige Soldaten aus Balken gezimmert hatten, die aus Miriams Haus stammten. Ein Brett mit einer hastig darauf gekritzelten Botschaft war unter den Füßen des Briganten an das Kreuz genagelt worden; die Inschrift verbot den Dorfbewohnern, dem Mann irgendwelche Erleichterungen zu verschaffen oder nach seinem Tod seine Leiche abzunehmen. Anderenfalls würde jemand aus dem Dorf den Platz der Leiche einnehmen müssen.
Als er sich wieder nach vorn drehte, war Cato von so heftiger Verzweiflung und Selbstverachtung erfüllt, dass ihm schlecht wurde. Rom hatte Miriam ihren Sohn genommen, und jetzt
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