Die Jagd des Adlers
sie sich hätten wehren können. Cato schauderte bei dem Gedanken. Er drückte den Rücken durch und sah unverwandt geradeaus. Niemand sollte sehen, wie beklommen ihm zumute war.
Als die Kolonne das Dorf verlassen hatte, lenkte Cato sein Pferd an den Straßenrand und rief dem Centurio, der die Fußsoldaten befehligte, zu: »Sorg dafür, dass deine Leute auf dieser Straße weitermarschieren. Ich werde auf Parmenion warten.«
»Ja, Herr.«
Während die Männer weiterzogen, blieb Cato im Sattel sitzen und sah zurück zum Dorf. Die Menge schwieg nicht mehr; wütendes Geschrei erhob sich aus ihrer Mitte, und Cato hoffte, dass der Centurio sich beeilen und den Ort rasch verlassen würde. Gerade als Cato wieder nach den Zügeln greifen und zurück ins Dorf reiten wollte, um nach Parmenion zu sehen, hörte er dumpfes Hufgetrappel, und gleich darauf ritt der Veteran aus einer Gasse heraus auf ihn zu. An seinem Sattelknauf hing eine Metallrüstung, und mit zwei Riemen hatte er einen Schild an seinem Gürtel befestigt. Seine Miene war starr und düster, und er schien Cato kaum wahrzunehmen, als er an diesem vorbei auf die Kolonne zutrabte, die noch nicht allzu weit vorausmarschiert war. Cato wendete sein Pferd und folgte ihm. Als sie die Kuppe des kleinen Hügels erreichten, auf die Cato dem Centurio gegenüber gedeutet hatte, zügelten die beiden Offiziere ihre Pferde und sahen hinab in das Zentrum des Dorfes.
Das Erste, was Cato erkennen konnte, war eine dichte Masse dunkler, von Schädelkappen bedeckter Köpfe, die sich allesamt erwartungsvoll der Synagoge zugewandt hatten. »Was haben sie mit Canthus gemacht?«, fragte er leise.
»Ich bin nicht lange genug geblieben, um das herauszufinden. Der Priester und einige seiner Männer haben ihn in Gewahrsam genommen, als ich weggeritten bin.« Parmenion sah zu Boden. »Er hat mich angefleht, ihn nicht allein zu lassen.«
Cato wusste nicht, was er sagen sollte.
Neues Geschrei stieg aus dem Dorf auf. Eine kleine Gruppe von Männern war auf dem Dach der Synagoge erschienen. Alle bis auf einen waren mit den weit geschnittenen Roben bekleidet, die in dieser Gegend fast jeder anhatte. In ihrer Mitte wand sich ein Mann hin und her, der die rote Tunika eines römischen Soldaten trug.
»Das ist Canthus!«, rief jemand, und mehrere Soldaten in seiner Nähe warfen einen Blick zurück über die Schulter.
»Ruhe!«, befahl Parmenion mit bellender Stimme. »Mund zu und Augen nach vorne! Marschiert weiter!«
In der Ferne erklang ein dünner Schrei, und wieder begann die Menge zu lärmen. Cato sah zurück zum Dorf und erkannte, dass man Canthus die Arme auf den Rücken gedreht hatte. Jemand zerrte ihm die Tunika über den Kopf, sodass er jetzt nackt über der Menge stand. Ein anderer Mann beugte sich nach vorn, um etwas aufzuheben. Als er sich wieder aufrichtete, funkelte die Sonne auf einer geschwungenen Klinge. Ein Erntemesser, begriff Cato. Und während er und Parmenion zusahen, rammte der Mann dem römischen Soldaten die Klinge in die Seite und zog sie in einer bogenförmigen Bewegung über dessen Bauch. Blut und Gedärme spritzten aus Canthus’ Körper, ergossen sich von der Synagoge herab in die Tiefe und hinterließen einen leuchtend roten Fleck auf der weiß verputzten Wand. Die Menge brach in schrillen, kreischenden Jubel aus, der bis zum Hügel vor dem Dorf wiederhallte, und Cato spürte, wie ihm ein saurer Geschmack in den Rachen stieg.
»Komm«, sagte Parmenion mit rauer Stimme. »Wir haben genug gesehen. Gehen wir. Wir sollten das nächste Dorf noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.«
»Das nächste Dorf?« Cato schüttelte den Kopf. »Nach so etwas ? Wäre es nicht besser, wenn wir in die Festung zurückreiten und Scrofa Bericht erstatten würden?«
»Warum? Wegen Canthus? Dieser Narr hätte es besser wissen müssen. Und wir haben immer noch unsere Befehle, Cato.« Parmenion zog heftig an seinen Zügeln und wendete sein Pferd von der Szene im Dorf weg. »Vielleicht haben unsere Männer beim nächsten Mal ihre Lektion gelernt.«
KAPITEL 16
W ir haben uns hier in eine ziemlich üble Situation hineinmanövriert«, sagte Macro nachdenklich, als Cato ihm von der Patrouille durch die Dörfer der Umgebung berichtet hatte. In jeder dieser Siedlungen – einschließlich Heshabas – hatte Parmenion Geiseln genommen, und inzwischen befanden sich vierzig Männer in einem Lagerschuppen in der Festung, wo sie zwar Nahrung und Wasser erhielten, den sie jedoch nicht verlassen
Weitere Kostenlose Bücher