Die Jagd des Adlers
weisen. Selbst wenn sie über einen Aufstand nachdenken, dürften sie wissen, dass die syrischen Legionen gleichsam schon in ihrer Tür stehen. Keine noch so große Anzahl von Rebellen wäre den Legionen gewachsen. Und was die Leute hier vor Ort betrifft: Sobald sie aufmucken, werden die Legionen sich auf sie stürzen und sie in den Staub treten.«
»Ja«, gab Cato zu. »Ich bin sicher, dass auch die Leute hier das glauben.«
»Aber?«
»Ich weiß nicht.« Cato runzelte die Stirn. »Seit wir in dieser Provinz angekommen sind, habe ich das Gefühl, dass dieser Ort wie ein Haufen Zunder ist. Ein Funke genügt, und ganz Judäa steht in Flammen. Sollte sich Narcissus’ Verdacht gegenüber Longinus als gerechtfertigt erweisen, dann wird aus Syrien keine Hilfe kommen.«
»Stimmt. Aber Bannus und seine Leute wissen das nicht.«
»Wirklich nicht?« Cato sah auf. »Genau das frage ich mich.«
Macro stieß ein Schnauben aus. »Was willst du jetzt schon wieder andeuten? Dass Longinus mit einem Barbarenführer mit haarigem Arsch, der sich irgendwo in den Bergen als Bandit versteckt, eine Abmachung getroffen hat? Findest du nicht, dass das ein bisschen weit hergeholt ist?«
»Eigentlich nicht.« Cato starrte seinen Freund erschöpft an. »Wenn Bannus weiß, dass Longinus seine Legionen nicht in Marsch setzen wird, dann kann er in dem Wissen, dass er es nur mit Hilfstruppen zu tun bekommt, einen Aufstand anzetteln. Das ist ein ziemlicher Anreiz, die Sache anzugehen. Longinus bekommt seine Revolte und rechtfertigt damit die Anforderung weiterer Soldaten. Beide Männer bekommen, was sie wollen. Zufall? Ich glaube nicht.«
Macro schwieg einen Augenblick. »Ein römischer General, der mit einem gewöhnlichen Banditen einen Handel eingeht … Eine ziemlich abstoßende Vorstellung.«
»Nein. Das ist einfach nur Politik.«
»Aber wie könnte Longinus zu Bannus Kontakt aufgenommen haben?«
»Er muss eine Art Mittelsmann haben. Eine gefährliche Position, gewiss, doch ich bin mir sicher, dass Longinus für eine angemessene Summe jemanden finden dürfte, der Bannus über das Angebot des Statthalters von Syrien, nicht in irgendwelche Kämpfe einzugreifen, informieren würde. Dann bliebe nichts weiter zu tun, als die hiesige Landbevölkerung in einen Aufstand zu treiben. Scrofa und Postumus haben schließlich alles Menschenmögliche getan, um die Flammen der Unzufriedenheit anzufachen.«
» Um die Flammen der Unzufriedenheit anzufachen ?« Macro lächelte. »Du hast doch nicht etwa wieder heimlich Gedichte geschrieben, oder?«
»Das ist nur so ein Ausdruck. Bleib ernst, Macro.« Wieder konzentrierte sich Cato, bevor er fortfuhr: »Ich will auf Folgendes hinaus. Ich bin mir nicht sicher, ob sich Longinus wirklich der Kräfte bewusst ist, die er da entfesselt. Anscheinend steht Bannus auch mit den Parthern in Kontakt. Ich könnte mir vorstellen, dass sie ihm Waffen für seine Männer versprochen haben. Was sie natürlich niemals zugeben würden. Jede Aktion, mit der sie die Macht Roms im Osten unterminieren können, ist in ihren Augen Teil eines großen Spiels. Doch sollten sie von einer Vereinbarung zwischen Bannus und Longinus Wind bekommen, würden sie sofort die Möglichkeit wittern, ihre offene Rechnung mit Rom ein für alle Mal in ihrem Sinne zu begleichen. Sobald Longinus Syrien mit den östlichen Legionen im Gefolge verlässt, hätten die Parther freie Hand in der Region. Wenn sie schnell genug handeln, könnten sie Syrien, Armenien, Judäa, Nabatäa und vielleicht sogar Ägypten überrennen.« Catos Augen wurden immer größer, als er die Bedeutung dessen begriff, was er selbst gerade gesagt hatte. »Ägypten! Wenn sie dieses Land erobern würden, dann hätten sie die absolute Macht über das Getreide, von dem Rom lebt. Sie könnten Rom zwingen, mit ihnen Frieden zu schließen – und zwar zu Bedingungen, die fast ausschließlich sie diktieren würden.«
»Langsam, langsam!« Macro hob die Hand. »Deine Fantasie geht mit dir durch. Vergiss nicht, dass du bisher nur dabei bist, verschiedene Möglichkeiten zu skizzieren, Cato.« Wieder lächelte er. »Es muss noch eine ganze Menge passieren, bevor die Lage hier eine ernsthafte Bedrohung für Rom darstellt.«
Auch Cato musste lächeln, als er sich darüber klar wurde, wie sehr er sich von seinen eigenen Gedanken hatte mitreißen lassen. Trotzdem stand sehr viel auf dem Spiel, und sie hatten nicht viel Zeit, um in dieser Sache etwas zu tun. Bevor Macros Ernennung zum
Weitere Kostenlose Bücher