Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
Phänomenal.«
»Was?«
»Schlag im Wörterbuch nach.«
»Ich weiß, was phänomenal bedeutet. Aber was meinst du damit?«
»Sie ist ein beeindruckendes Exemplar.«
»Exemplar?«
»Der Gattung Frau, Cop und Mensch.«
»Oh Mann, Dad.«
»Du hast mich gefragt.«
»Wow.«
»Ist Andy wach?«
»Willst du etwa das Thema wechseln?«
»Ich hoffe, dass der kleine Schwerenöter die Nacht über unter seiner eigenen Decke geblieben ist.«
»Ja, keine Angst. Er zieht sich gerade an. Leider hat er nur die Sachen, die ich ihm gestern gegeben habe.«
»Nach dem Frühstück kaufen wir ihm neue Klamotten.«
»Frühstück. Gute Idee. Ich verhungere.«
»Wie kannst du denn schon wieder hungrig sein? Nach dem ganzen Zeug, das du gestern in dich reingestopft hast.«
»Das waren doch nur Chips und so ein Kram.«
»Tja, ein bisschen musst du schon noch durchhalten. Ich habe nämlich keine Ahnung, wann Sharon wieder zurückkommt. Und dann wird sie erst mal duschen wollen. «
»Glaubst du, dass sie überhaupt ins Schwitzen kommt?«
»Das habe ich mich auch gefragt. Warten wir’s ab.«
»In der Zwischenzeit kann ich mich ja anziehen.«
»Lass dir Zeit. Ich glaube, dass Sharon noch eine ganze Weile unterwegs sein wird.«
32
Im anderen Zimmer war es im Vergleich zur Galerie angenehm kühl. Schnell schloss sie die Vorhänge.
Im trüben gelben Licht erkannte sie Sharons Morgenmantel, der neben Dads Bett lag. Dem Bett, in dem er jedenfalls hätte schlafen sollen, wäre er nicht letzte Nacht in Zimmer 238 gegangen. Sharon hatte sich dort wohl noch etwas hingelegt, während Dad Wache gestanden hatte. Ihre Reisetasche stand zwischen den Betten. Genau wie ihr Gewehrkoffer.
Jody hielt nach einem Anzeichen Ausschau, dass ihr Vater im Zimmer gewesen war.
Nichts.
Hast du erwartet, dass seine Unterhose auf dem Boden rumliegt? Quatsch.
Ich will nur, dass Dad glücklich ist, sagte sie sich. Sharon ist perfekt. Es wäre wirklich schön, wenn sie zusammenkommen.
Ja, ja. Trotzdem fragst du dich, ob sie es miteinander getan haben.
Nein, das stimmt nicht. Das geht mich auch überhaupt nichts an. Außerdem haben sie es nicht getan. Auf keinen Fall. Dad kennt sie ja erst seit gestern.
Jody warf den Morgenmantel auf ihr eigenes Bett und zog das Nachthemd aus.
Dann stellte sie sich vor den Spiegel über dem Waschbecken im Badezimmer.
»Grauenhaft«, murmelte sie.
Ihr Haar war fettig, und die Verbände hatten Schmutzränder. Manche hatten sich teilweise gelöst, und an anderen Stellen sah es aus, als hätte sie dicke Schmutzspuren auf der Haut. Sie wusste jedoch, dass es Blutergüsse und Kratzer waren, die man, anders als Schmutz, nicht so einfach abwaschen konnte.
Trotzdem wollte sie duschen.
Warum auch nicht?
Andy hatte in der Nacht geduscht, nachdem er eine Cola getrunken und einen Berg Erdnussflips und Nachochips verdrückt hatte. Als er aus dem Badezimmer gekommen war, hatte er sich ein viel zu kurzes Handtuch um die Hüfte geschlungen, woraufhin Jody ihm ihren Morgenmantel gegeben hatte.
Zuvor hatte er jedoch alle Verbände abgenommen. Nur die Mullbinde an seinem Knie hatte er wieder anlegen wollen, und Jody hatte ihm dabei geholfen.
Bis jetzt hatte er auch ohne Verbände überlebt. Als sie ihn vorhin betrachtet hatte, waren ihr keine offenen Wunden oder Blut auf den Laken aufgefallen.
»Einen Versuch ist es wert«, murmelte sie.
Sie holte ihr Shampoo aus der Reisetasche, ging ins Badezimmer und schloss die Tür. Dort stellte sie die Shampooflasche auf die Kante der Badewanne, schnappte sich ein Stück noch eingepackter Seife und einen Waschlappen und legte eines der Handtücher in Reichweite neben die Wanne.
Dann setzte sie sich auf die Toilette. Während sie ihr Geschäft verrichtete, zog sie die Mokassins aus und untersuchte ihre Fußsohlen. Die Verbände dort hatten sich schon letzte Nacht gelöst. Sie hatte sie beim Schlafengehen
in ihren Socken gefunden. Doch ihre Füße schienen auch so ganz gut zu verheilen. Sie tippte mit der Fingerspitze gegen die Wunden und verspürte nur einen leichten Schmerz.
Was auch für ihre übrigen Verletzungen galt.
Sie drehte das Wasser auf, stellte die Temperatur ein und zog den Duschvorhang hinter sich zu.
Das warme Wasser fühlte sich großartig an.
An den meisten Stellen jedenfalls.
Einige ihrer Wunden fingen an zu brennen, und es war, als hätte sie Säure auf die Streifschusswunde an ihrem Oberschenkel geschüttet.
Sie verkrampfte sich und biss die Zähne zusammen. Nach
Weitere Kostenlose Bücher