Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
nicht das Gleichgewicht. Sie legte die Arme um seine Brust und drückte ihn fest an sich.
»Lass mich los«, keuchte er. »Mein Knie ist im Eimer. Ich bin am Ende. Bitte! Hau ab, solange du noch kannst.«
»Nicht ohne dich.«
Sie versuchte, Andy in Richtung Pool zu zerren. Er unterstützte sie nach Kräften, indem er auf seinem gesunden Fuß hüpfte.
»Was jetzt?«, fragte sie.
»Sie werden uns umbringen.«
»Dazu müssen sie uns erst einmal erwischen.«
»Du musst mich zurücklassen. Alleine kannst du es schaffen …«
»Hey! Halt die Klappe.«
Sie blickte zum Haus hinüber. Noch hatte niemand die Verfolgung aufgenommen.
Am Rand des Schwimmbeckens blieb sie stehen. »Wohin? Du kennst dich doch hier aus. Wo können wir …?«
»Da drüben. Die Mauer.«
Sie wandte sich um und erkannte in einiger Entfernung hinter dem Pool eine etwa zwei Meter hohe Steinmauer.
»Na toll«, sagte sie und ging, Andy hinter sich herziehend, rückwärts darauf zu.
Dabei beobachtete sie stetig das Haus.
Was tun, wenn sie kommen?
Ohne Andy schaffe ich es leicht über die Mauer.
Dad würde ihn in tausend Jahren nicht zurücklassen. Niemals. Selbst wenn er dabei draufgehen würde.
»Vielleicht kommen sie ja gar nicht«, sagte sie.
»Wieso denn nicht?«
»Na, zum Beispiel weil die Polizei im Anmarsch ist.«
»Woher willst du das wissen? Der Anruf war doch nur gespielt.«
»Aber das können die doch nicht ahnen. Außerdem – vielleicht haben die Cops ja abgenommen, als ich wirklich angerufen habe.«
»Meinst du?«
»Ich weiß nicht.«
»Jedenfalls hast du ihnen nichts sagen können.«
»Das musste ich auch nicht. Jedes Mal, wenn man die Notrufnummer wählt, spuckt der Computer gleich die dazugehörige Adresse aus. Jetzt schicken sie bestimmt einen Streifenwagen hierher.«
»Glaubst du?«
»Könnte schon sein. Die Hauptsache ist, diese Wahnsinnigen glauben , dass die Polizei anrückt. Dann müssen sie aufhören, uns zu jagen.« Endlich hatten sie den Pool hinter sich gelassen. Die Mauer war nur noch wenige Meter entfernt. »Wir schaffen es«, flüsterte sie.
»Da kommen sie«, sagte Andy.
Bei diesen Worten krampften sich ihre Eingeweide zusammen.
Sie kamen tatsächlich. Die dunklen Umrisse der beiden Männer, die eben noch auf dem Balkon gestanden hatten, zeichneten sich vor dem Licht aus den Fenstern ab. Der Mann, der voranlief, hatte sein Messer weggesteckt, damit er schneller rennen konnte. Sie kamen von links auf den Pool zu.
Zum Glück trennt uns der Pool.
Zum Glück ist der Mann mit der Axt nicht dabei.
Könnte schlimmer kommen …
Jodys Rücken prallte gegen die Mauer. Sie drehte sich um, schob Andy auf die grauen Steine zu, hob ihn hoch und drückte ihn dagegen. Sein Körper verkrampfte sich, und er schrie auf. Sie packte seinen Hosenbund, legte die andere Hand in seinen Schritt und wuchtete ihn hinauf.
Er flog durch die Luft und klammerte sich an der Oberkante der Mauer fest.
Sobald Jody überzeugt war, dass er sicheren Halt hatte, ließ sie ihn los, und er schwang sein gesundes Bein über die Kante und zog sich hoch. Jody sah sich um. Der Kerl, der sie im Vorgarten gepackt hatte, umrundete gerade im Laufschritt den Swimmingpool. Er hatte den Mann mit dem Säbel weit hinter sich gelassen.
Jody sprang an der Mauer hoch und konnte sich an der Kante festhalten. Ihr Körper prallte mit einem dumpfen
Schlag gegen die Wand. Sie zog sich mit den Armen hoch und versuchte, mit den Zehen irgendwo Halt zu finden. Die rauen Steine schürften ihre Zehen auf und zerrten am Stoff ihres Nachthemds, doch sie gab nicht auf. Schließlich gelang es ihr, ihren Oberkörper über die Kante zu hieven. Der Stein rieb wie Sandpapier über ihre Brüste, die Rippen und ihren Bauch.
»Schneller«, japste Andy.
Er lag auf der Mauer. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von Jodys rechtem Handgelenk entfernt.
Vor sich, auf der anderen Seite der Mauer, konnte sie nur ein paar Äste und Blätter in der Dunkelheit erkennen.
Sehr gut. Wenigstens fallen wir nicht gleich in den nächsten Vorgarten. Ist das eine Obstplantage?
Vielleicht können wir sie zwischen den Bäumen abhängen.
»Los«, sagte sie. »Warte nicht auf mich.« Sie riss das linke Bein nach oben und schwang es über die Mauer.
Ihr rechtes Bein hing immer noch herab. Sie hatte Knie und Zehen gegen die Mauer gepresst.
»Vorsicht!«, rief Andy.
Jody schrie auf, als eine Hand ihren Knöchel umklammerte.
»Erwischt!«
Erst eine Hand, dann zwei. Die eine hielt
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