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Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night

Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night

Titel: Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Ende zu bringen, konnte unmöglich das ganze Terrain überwachen.
    Ein Umweg war viel sicherer, nahm aber auch mehr Zeit in Anspruch.
    Sie dagegen wollte so schnell wie möglich die Polizei erreichen und wieder zu Andy zurückkehren.

    Deshalb hatte sie sich entschlossen, geradewegs den Hügel hinaufzurennen.
    Nun ja, sie würde nicht gerade rennen. Schleichen war wohl angebrachter, damit Andy nicht aufwachte und der Drecksack, der oben an der Mauer auf sie wartete, sie nicht hörte.
    Wenn da überhaupt einer ist.
    Vielleicht hatten sie überhaupt niemand zurückgelassen. Vielleicht hatten sie Andys Haus in Brand gesteckt und waren abgehauen.
    Doch wenn einer hiergeblieben war, konnte er überall sein.
    Der Aufstieg war sehr mühsam. Mehrmals glitt Jody aus und landete auf den Knien. Manchmal war der Hügel so steil, dass sie auf allen vieren kriechen musste. An anderen Stellen musste sie sich an Büschen oder Gestrüpp festhalten, um nicht abzurutschen.
    Nach einer scheinbar endlosen Kletterpartie erreichte sie endlich einen Baum, an den sie sich anlehnen konnte.
    Sie schnappte nach Luft. Ihr Herz schlug wie wild. Ihre Haut fühlte sich heiß an; sie war schweißgebadet. Mit einem feuchten, glitschigen Arm wischte sie sich über die Augen. Dann blinzelte sie.
    Ich hab’s fast geschafft.
    Dann bemerkte sie die dicken Rauchwolken, die jenseits der Mauer in die Nacht aufstiegen. Der Rauch schimmerte rötlich.
    Sie hatten nicht Andys, sondern das Haus der Youngmans angezündet.
    Oder vielleicht beide Häuser.
    Ja, wahrscheinlich.
    Deshalb auch die vielen Sirenen.

    Der rötliche Schimmer verlor sich auf Jodys Seite der Mauer. Ihre Kante war eine dunkle Linie, hinter der die Nacht funkelte.
    Niemand hier, sagte sie sich.
    Oder?
    Er konnte in diesem Moment mit dem Rücken an der Mauer lehnen und auf sie hinunterstarren.
    Andererseits war die Mauer nach Jodys Schätzung über dreißig Meter lang. Er konnte überall auf sie lauern – oder aber schon lange abgehauen sein. Wenn er sie jetzt noch nicht bemerkt hatte, wenn er noch einigermaßen weit von ihr entfernt war und sie sich schnell und lautlos bewegte …
    Jody beugte die Knie und wollte mit dem Rücken den Baumstamm hinunterrutschen, doch seine Rinde zerkratzte ihre Haut und verfing sich in ihrem Nachthemd. Sie musste erst ein Stück vom Baum wegrutschen, um in die Hocke gehen zu können. Einen Moment lang beobachtete sie die Anhöhe und die Mauer.
    Wahrscheinlich ist überhaupt keiner hier, dachte sie.
    Dann beugte sie sich vor und kroch los.
    Wenn ich mich jetzt noch umbringen lasse, wäre das die blanke Ironie. Jetzt bin ich so weit gekommen, und dann erwischt er mich nur wenige Meter von den Cops entfernt.
    Letztes Jahr hatten sie Ironie im Englischunterricht durchgenommen. Mr Platt, ihr Englischlehrer, hatte ihnen beigebracht, dass Ironie die Kehrseite der ausgleichenden Gerechtigkeit war.
    Jody glaubte an Gott.
    Sie war sich zwar nicht sicher, ob er wirklich so gnädig war, aber eins stand fest: Gott liebte die Ironie.

    Es würde ihm bestimmt einen Heidenspaß machen, wenn sie über die Klinge springen musste – gerade dann, wenn sie glaubte, in Sicherheit zu sein.
    Bitte nicht, okay? Das würde meinen Dad glatt umbringen. Einer deiner Ironieanfälle hat schon meine Mutter das Leben gekostet. Kannst du dich diesmal zurückhalten? Ja? Bitte? Amen.
    So sollte man eigentlich nicht mit Gott sprechen, dachte Jody, sobald sie ihr stummes kleines Gebet beendet hatte. Jetzt ist Er wahrscheinlich stinksauer und wird mich auf jeden Fall um die Ecke bringen.
    Sie hielt inne.
    Auf Hände und Fußballen gestützt, starrte sie auf die dunkle Mauer direkt vor ihr. Sie schätzte, dass sie weniger als zwei Meter davon entfernt war. Aber es war zu dunkel, um Genaueres erkennen zu können.
    Sie sah sich um. Nichts.
    Bringen wir’s hinter uns.
    Ihre Muskeln zitterten so sehr, dass sie sich fragte, ob sie überhaupt die Kraft aufbringen würde, um über die Mauer zu klettern.
    Ich schaffe es, sagte sie sich.
    Auf drei.
    Eins.
    Zwei.
    Drei!
    Sie startete wie ein Hundertmeterläufer und sprang an der Mauer hoch.
    Gerade als sie die Oberkante umklammerte, hörte sie schnelle Schritte, die sich ihr näherten.

TEIL ZWEI
Simons Geschichte

8
    Mitchell hat mir die Schuld gegeben. Gleich nachdem uns die beiden entkommen sind. Ich konnte noch das Bein des Mädchens packen, als es gerade versuchte, über die Mauer zu klettern, aber dann hat es sich wieder befreit. Damit fing der ganze

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