Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
Verabredung mit Hester einzuhalten, saß Hering zusammen mit uns um ein großes Stück Karton in Tommys Hobbyraum (auch die »Bruchbude« genannt) und arbeitete an unserer Collage, die wir »Tod durch Folter« betitelt hatten. Wir schnitten Bilder von Messern, Äxten, Pfeilen und solchen Sachen aus einem Sportartikelkatalog aus, dazu Fotos von nackten Frauen aus Magazinen wie dem Playboy oder Penthouse . Ganz große Kunst. Es machte einen Heidenspaß, die Waffen um die Mädels herum zu arrangieren und sich dabei vorzustellen, was man damit anstellen konnte. Schließlich
verzierten wir das Ganze mit unserem eigenen Blut, indem wir uns die Arme aufritzten.
Irgendwann stach Hering mit der Schere durch ein Porträtfoto. »Nimm das, du blöde Sau.«
»Jetzt sieht sie gleich viel besser aus«, sagte Ranch.
»Die blöde Schlampe weint sich jetzt bestimmt gerade die Augen aus«, sagte Tommy.
Ich sah auf die Uhr. Hering war schon über zwei Stunden überfällig. »Wahrscheinlich ist sie schon längst wieder nach Hause gegangen«, sagte ich.
»Der hast du’s wirklich gegeben«, sagte Ranch.
Hering grinste. »Das wird ihr eine Lehre sein.«
Am nächsten Tag war Hering allein zu Hause. Seine Eltern waren zu einem Tennisturnier mit vielen Prominenten gefahren.
Er saß gerade vor dem Fernseher, als plötzlich Hester hereinkam und eine .22er auf ihn richtete. »Wo bist du gewesen , Brian?«, fragte sie. »Du hast es versprochen. Ich habe gewartet und gewartet, aber du bist nicht gekommen. « Anfangs war sie noch cool, mit einem höhnischen, überlegenen Lächeln. Aber dann fing sie an zu heulen. Hering dachte, sein letztes Stündlein hätte geschlagen. »Ich habe gewartet und gewartet !«, schluchzte sie. »Das war gemein! Du Lügner! Du verdammter dreckiger Lügner. Du hast es versprochen!«
Sie ging auf Hering zu und befahl ihm, den Mund zu öffnen. Dann steckte sie die Waffe hinein.
Er saß in seinem Sessel und hatte keine Chance aufzustehen. Und jetzt stopfte ihm diese fette stinkende Schlampe auch noch eine Pistole in den Mund und entsicherte sie.
»Glaubst du etwa, dass du mich wie Scheiße behandeln kannst, nur weil ich nicht so hübsch bin wie Denise? Da
liegst du falsch! Vielleicht bin ich nicht gerade hübsch, aber ich habe auch Gefühle! Das war gemein! So gemein!«
Sie drückte ab.
Es klickte.
In der Pistole – einer Halbautomatik – befand sich ein volles Magazin, die Kammer jedoch war leer. Wir haben nie herausgefunden, ob sie mit Absicht nicht durchgeladen hatte – um Hering nur zu erschrecken – oder ob sie ihn wirklich erschießen wollte, aber einfach zu dumm war, um die Waffe richtig zu benutzen.
Als es klickte, war Hering einen Augenblick lang davon überzeugt, dass sie ihn erschossen hätte. Dann begriff er, dass überhaupt kein Schuss gefallen war. Er packte den Pistolenlauf und schob ihn zur Seite. Sie kämpften um die Waffe. Hester versuchte, die Pistole wieder auf ihn zu richten. Sie war größer und stärker als Hering, und weil sie an der Waffe zog und Hering den Lauf festhielt, hob sie ihn aus dem Sessel, sodass er direkt vor ihr stand.
Was ein großer Fehler war. Er rammte ein Knie in ihren fetten Bauch. Sie ließ die Waffe fallen und ging in die Knie.
Er verpasste ihr eine ordentliche Abreibung.
Dann rief er Tommy an. Tommy rief mich an, und ich sagte Ranch Bescheid. Es dauerte keine Viertelstunde, dann hatten wir uns alle bei Hering versammelt.
Hester lag reglos auf dem Boden, wimmerte und schluchzte.
Wir zerrten sie in die Garage, in der Tommy den Mercedes geparkt hatte, mit dem er gekommen war. Wir stopften Hester in den Kofferraum.
Schließlich überprüften wir, ob wir im Haus Spuren hinterlassen hatten. Außer ihrem Gestank und etwas
Sabber war nichts zu bemerken. Der Geruch würde sich schon irgendwann verziehen. Wir wischten den Sabber auf und säuberten alle Flächen, auf denen Hester Fingerabdrücke hinterlassen hatte.
Hering schrieb seinen Eltern eine Nachricht, dass er bei Tommy »abhing«.
Ranch und ich hatten unsere Räder zu Hause gelassen und waren zu Fuß gekommen. Nachdem Tommy den Mercedes wieder aus der Garage gefahren und das Tor geschlossen hatte, stiegen wir ein. Er fuhr los.
Tommy war noch nicht alt genug für den Führerschein. Doch das kümmerte ihn nicht. Es war nicht das erste Mal, dass er sich das Auto seiner Mutter für eine Spritztour ausgeliehen hatte.
Das Ganze war eigentlich der helle Wahnsinn.
Tommy war sehr reif für sein Alter. Geistig
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