Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
das erledigt war, ging ich ins Schlafzimmer zurück. Der Jeansrock und meine schöne gelbe Bluse waren ruiniert. Überall Blut. Ich warf alles auf den Boden und ging ins Badezimmer, um mich zu waschen. Schließlich entdeckte ich ein hellblaues, ärmelloses Sommerkleid. Der Reißverschluss war auf dem Rücken, sodass ich mich ganz schön verrenken musste, um ihn zuzubekommen.
Dann setzte ich Hillarys Haare auf, machte mich vor dem Spiegel zurecht und staunte wieder einmal darüber, wie fantastisch ich aussah. Ich nahm die Handtasche und ging zu Benedicts Jaguar.
Die Leute drehten sich nach mir um.
Es war natürlich ein Cabrio. Ich saß hinterm Steuer, und mein volles braunes Haar flatterte im Wind. (Hillarys Kopfhaut kratzte wie verrückt, aber zum Glück war sie noch so klebrig, dass sie mir nicht vom Kopf fiel. Trotzdem musste ich die Perücke ein paar Mal festhalten, wenn ein heftiger Windstoß kam. Sonst lief aber alles glatt.)
Etwa eine Meile vom Haus der Westons entfernt fuhr ich an drei Polizeiautos vorbei. Es waren zwei Streifenwagen und ein rotbraunes Zivilfahrzeug, in dem zwei Zivilbullen
saßen. Offenbar suchten sie die Gegend nach mir ab.
Dabei war ich direkt vor ihrer Nase.
Fünf der sechs Beamten waren Männer, die mich alle ziemlich lange anstarrten. Am liebsten hätte ich sie angelächelt und gewunken, vielleicht sogar ein paar Luftküsse verteilt. Stattdessen schenkte ich ihnen keine Beachtung. Ich nehme an, Hillary hätte sich genauso verhalten, schließlich war sie eine hochnäsige reiche Schnepfe, die es sicher für unter ihrer Würde hielt, freundlich zum Fußvolk zu sein.
Zum Glück hielt meine Frisur, während mich die Cops beäugten.
Die Bullen waren beileibe nicht die Einzigen, die mich anstarrten. Männer aller Altersgruppen, Kulturkreise und Hautfarben sahen mir hinterher. Sie waren beeindruckt. Ich war begehrenswert. Ein Typ, der neben seiner Frau oder Freundin joggte, starrte mich so ausdauernd an, dass er stolperte. Im Rückspiegel sah ich, wie er der Länge nach hinfiel.
Ich musste lachen, doch dann dachte ich an das Mädchen und wie es gestern Nacht auf dem feuchten Gras ausgerutscht war. An das Nachthemd, das sich über seine Hüfte geschoben hatte. Und sofort war ich wieder ganz aufgeregt.
Sie war eine echte Schönheit.
Ich hörte auf, die Männer zu beobachten, und dachte darüber nach, was ich alles mit ihr anstellen würde.
Sobald ich das Viertel verlassen hatte, fragte ich mich, was ich als Nächstes tun sollte.
Nach Hause in mein Apartment in West L. A. konnte ich nicht. Zum einen hatte ich keine Schlüssel mehr. Die
hatte ich zusammen mit meinen Klamotten in Toms Lieferwagen gelassen. Sie konnten jetzt weiß Gott wo sein. Außerdem hätten mir Nachbarn über den Weg laufen können. Meine Verkleidung funktionierte Fremden gegenüber ziemlich gut, aber jemanden, der mich kennt, würde ich wohl kaum damit täuschen können. Und der letzte und auch wichtigste Grund, nicht nach Hause zu fahren, war, dass ein paar meiner »Freunde« dort wohl bereits auf mich warten würden.
Sie wissen nämlich, wo ich wohne.
Und sie wissen, dass ich es vermasselt habe. Die Zeugen, die ich eigentlich hätte umbringen sollen, sind entkommen und haben uns verpfiffen. Dafür hatte ich eine Strafe verdient.
Es war also das Beste, den Ball flach zu halten und erst mal die Lage zu sondieren.
Deshalb sitze ich jetzt auch in einem Hotel namens Palm Court, dem schäbigsten Schuppen, den ich finden konnte, nachdem ich die La Cienega ein paar Mal rauf und runter gefahren war. Der ideale Ort, um unterzutauchen.
Der Typ an der Rezeption war ziemlich jung. Wahrscheinlich geht er noch zur Highschool. Sein Gesicht war so fettig, dass man Spiegeleier darauf hätte braten können. Ein dicker weißer Mitesser saß in einem seiner Nasenlöcher. Er starrte auf meine Brust und leckte sich ständig über die Lippen, während er die Formulare ausfüllte.
Ich checkte unter dem Namen Simone de Soleil ein und gab eine Adresse in Deland in Florida an.
Ich bezahlte für drei Nächte. Dank Benedict und Hillary konnte ich die Rechnung mühelos bar begleichen.
»Ich heiße Justin«, sagte der Junge mit einer seltsam heiseren Stimme. »Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann, dann …«
»Dann lasse ich Sie es wissen«, antwortete ich.
Der Plastikanhänger am Zimmerschlüssel war so glitschig, dass ich mich fragte, ob ihn sich Justin nicht in die Nase gesteckt hatte. Ich hatte Zimmer Nr. 8.
Das Palm Court
Weitere Kostenlose Bücher