Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
werfen konnte, wenn sie sich nach vorn beugte.
Wahrscheinlich waren wir alle in Denise verknallt.
Aber der Rest von uns wusste genau, dass wir bei ihr niemals landen konnten. Nur Hering nicht – obwohl er ziemlich bescheuert ist, geht er doch mit einem gewissen Optimismus durchs Leben. Mit anderen Worten: ein Verlierertyp.
»Ich glaube, sie mag mich«, sagte er eines Tages nach der Schule.
»Quatsch«, sagte ich.
»Was gibt’s denn da zu mögen?«, fragte Tommy.
»Deine goldenen Löckchen etwa?«, fragte Ranch. Wir machten uns immer über Herings Haar lustig. Er trug es schulterlang – keine besonders gute Idee für einen Jungen in seinem Alter. Er dachte wohl, das lange Haar würde ihn irgendwie radikal wirken lassen, aber er irrte sich. Er sah einfach nur bekloppt aus. Jeder konnte von Weitem erkennen, dass er ein Schwachkopf mit Hang zur Selbstzerstörung war.
Ich schlug vor, dass er Denise fragen sollte, ob sie mit ihm ausgehen und ihm einen Zopf flechten würde.
»Ich werde sie fragen«, sagte er.
»Das ist Zeitverschwendung«, sagte ich.
»Sie wird dir einen gewaltigen Korb geben«, sagte Ranch.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
»Hey, einen Versuch ist es wert«, sagte Tommy. »Du hast nichts zu verlieren. Im schlimmsten Fall wird sie Nein sagen.«
»Und dann fühlst du dich wie ein mieser kleiner Wurm«, fügte Ranch hinzu.
»Ein Wurm ist sogar noch dünner als ein Hering«, bemerkte ich.
»Haha.«
Bald sollte sich herausstellen, dass wir keine Ahnung hatten, wie der »schlimmste Fall« letztendlich aussehen würde.
Am nächsten Tag beobachteten wir Hering, wie er sich in der Mittagspause hinter Denise in die Schlange vor der Essensausgabe stellte. Wir konnten die beiden einigermaßen gut sehen, aber kein Wort verstehen.
Sie sah umwerfend aus. Sie hatte das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und trug einen karierten Rock, der kaum ihren Hintern bedeckte, und dazu
eine weiße Bluse. Ich sehe immer noch vor mir, wie man ihre rosa Haut darunter erkennen konnte – aber keine BH-Träger.
Hering stellte sich direkt neben sie.
»Er zieht es wirklich durch«, sagte Ranch. Herings Verwegenheit schien ihn tief zu beeindrucken.
Wir beobachteten, wie Denise ihren Kopf drehte und Hering direkt in die Augen sah. Sie nickte ein paar Mal mit skeptischer, wachsamer Miene. Dann kam er endlich auf sein eigentliches Anlegen zu sprechen. Er wollte sie am Freitagabend zum Eislaufen einladen. Plötzlich verzog sie das Gesicht. Sie versuchte verzweifelt weiterzulächeln, doch während sie ihm einen Korb gab, sah sie ihn fast mitleidig an.
Später erzählte uns Hering, was sie gesagt hatte: »Vielen Dank, Brian. Wirklich. Das ist sehr nett von dir. Aber ich bin schon verabredet, tut mir leid.«
»ICH KOMME MIT! ICH BIN EINE SPITZENEISLÄUFERIN!«
Das war Hester Luddgate, die zufällig hinter Denise in der Schlange stand und offenbar die ganze Unterhaltung mitbekommen hatte.
Hester habe ich ja schon erwähnt. Sie war gestern Nacht plötzlich in meinem Traum aufgetaucht. In diesem wunderschönen Traum – bis sich das süße Mädchen plötzlich in dieses hässliche, verstümmelte Ding verwandelt hatte. In Hester.
Hester sah nicht nur wie ein Schwein aus, sie stank auch wie eine Socke nach einer Sumpfwanderung.
Wie dem auch sei. »ICH BIN EINE SPITZENEISLÄUFERIN«, brüllte sie und packte Herings Arm. Sie war ziemlich grob, und er versteifte sich sofort. Später zeigte er uns die blauen Flecken, die ihre Finger hinterlassen hatten.
Sie entfernte sich aus der Schlange und zog Hering hinter sich her.
Wir verloren sie aus den Augen, da wir uns vor Lachen krümmten.
Wie wir danach erfuhren, hatte Hester ihn in eine einsame Ecke des Schulhofs gezerrt, wo sie in Ruhe reden konnten. Hering versuchte, sich aus dieser Verabredung herauszureden, doch sie setzte ihren ganzen Charme ein, der aus einer Kombination von Drohungen und Tränen bestand.
Schließlich gab er auf und versprach, sich freitags mit ihr auf der Eisbahn zu treffen.
Doch am Freitagabend um acht war Hering immer noch zusammen mit uns bei Tommy. Tommy wohnte in einem riesigen Haus über dem Sunset Boulevard. Eigentlich gehörte das Haus seiner Mutter, aber die hatte nichts zu melden. Tommy hatte sie in der Hand. Sie hatte eine Todesangst vor ihm und ging uns nach Möglichkeit aus dem Weg. Meist versteckte sie sich in ihrem Schlafzimmer, und wir konnten in den übrigen Räumen tun und lassen, was wir wollten.
Anstatt also seine
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