Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
verschwunden.«
» Hier ist er jedenfalls nicht. Was wohl bedeutet, dass er verschwunden ist.«
»Dad wird wissen wollen, wann Sie bemerkt haben, dass er nicht mehr da ist.«
»Vor etwa zwanzig Minuten.«
»So gegen neun?«
»Ungefähr. Ich hab alles nach ihm abgesucht. Erfolglos – aber das liegt ja wohl auf der Hand.«
»Wo ist er hin?«
»Wenn ich das wüsste, junge Dame, dann hätte ich ihn ja nicht verloren.«
»Jetzt reißen Sie sich mal zusammen«, zischte sie, was sie jedoch gleich darauf bereute. »Tut mir leid. Ich will doch nur wissen, was passiert ist.«
»Das ist doch offensichtlich.«
»Nicht für mich, Sir.«
»Ich musste anhalten, um zu tanken.« Er sprach langsam und deutlich, als hätte er es mit einer Minderbemittelten zu tun. »Andrew saß auf dem Beifahrersitz und schmollte.«
Schmollte. Seine ganze Familie wurde letzte Nacht abgeschlachtet, du Arschloch!
»Ich hielt an der Tankstelle. Kannst du mir so weit folgen? «
»Ja, vielen Dank.«
»Während ich tankte, stieg Andrew aus und fragte, ob er zur Toilette dürfte. Zum Klo, wie er es nannte. Ich erlaubte es ihm. Ich sah noch, wie er auf die Tankstelle zuging.«
»Sie haben ihn aus den Augen gelassen?«
»Natürlich. Er ist doch kein Baby mehr.«
»Er ist erst zwölf Jahre alt.«
»Dessen bin ich mir durchaus bewusst, junge Dame. Außerdem gefällt mir dein Ton überhaupt nicht.«
»Tut mir leid. Ich tue mein Bestes.«
»Willst du damit andeuten, dass ich schuld an der ganzen Sache bin?«
»Ich will überhaupt nichts andeuten, Mr Spaulding. Wirklich. Ich will nur, dass mein Vater alle Informationen erhält, die er braucht.«
»Also gut.«
»Prima. Vielen Dank. Also, wann genau haben Sie bemerkt, dass etwas faul ist?«
»Als ich selbst auf die Toilette ging. Da hatte ich schon getankt und bezahlt. Um ehrlich zu sein, machte ich mir keine großen Gedanken, weil er nicht auf der Toilette war. Ich vermutete, dass er zum Auto zurückgegangen war, während ich das Benzin bezahlt hatte. Erst als ich ebenfalls zum Wagen ging, fiel mir auf, dass er weg war.«
»Haben Sie nach ihm gesucht?«
»Natürlich.«
»Haben Sie die Polizei verständigt?«
»Dein Vater ist bei der Polizei, junge Dame. Deshalb habe ich ihn auch angerufen.«
»Aber ihm sind die Hände gebunden. Indio fällt nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Sie müssen die örtliche Polizei anrufen, damit die sich auf die Suche nach Andy macht.«
»Will mir eine Fünfzehnjährige jetzt sagen, was ich tun soll? Das ist doch lächerlich.«
»Sechzehn«, verbesserte sie ihn.
»Ich werde die örtlichen Behörden auf keinen Fall informieren. Andy wurde ja nicht entführt. Er ist weggelaufen .«
»Woher wollen Sie wissen, dass er nicht entführt wurde?«
Willy antwortete nicht sofort. Jody hörte ein Knacken in der Leitung und das leise Hupen eines Lastwagens. »Ist das nicht offensichtlich?«
»Wieso?«
»Er wollte doch von Anfang an nicht mit mir mitfahren. Und bei der ersten Gelegenheit hat er sich aus dem Staub gemacht. Vielleicht will er per Anhalter zu dir zurück. Das würde ich ihm durchaus zutrauen.«
Das klang tatsächlich ziemlich wahrscheinlich. Dieser kleine Rotzlöffel! Sie seufzte. »Umso wichtiger, dass wir ihn bald finden«, sagte sie und sah Miles an, die neben ihr stand. »Eine Polizistin ist hier bei mir. Vielleicht sollten Sie mit ihr sprechen.«
Sie reichte Miles den Hörer. Nachdem sie sich vorgestellt hatte, lehnte sich Miles gegen die Küchenwand, lauschte und nickte. »Mr Spaulding, Sie hätten sofort die örtliche Polizei verständigen müssen. Bitte geben Sie mir die Nummer, unter der ich Sie in Indio erreichen kann.« Sie zog einen Stift aus der Brusttasche und notierte sie sich auf einem Notizblock neben dem Telefon. »Okay, Mr Spaulding. Ich werde jetzt auflegen und selbst die Kollegen dort verständigen. Und Sie bleiben, wo Sie sind.« Sie lauschte, dann machte sie große Augen und lief rot an. »Das werden Sie nicht tun. Sie sind für den Jungen verantwortlich. Wenn Sie jetzt losfahren, werde ich Sie verhaften lassen, haben Sie das verstanden?« Sie nickte. »Sehr gut. Machen Sie das.« Sie legte auf.
»Sie waren großartig !«, platzte Jody heraus. »Er ist so ein Trottel.«
»Das ist Andys Onkel? Hat sich nicht so angehört, als könnte er seinen Neffen besonders gut leiden.«
»Tut er auch nicht. Ich glaube, seine Frau hat ihn gezwungen, Andy abzuholen.«
Miles nickte, hob den Hörer wieder ab und rief die Zentrale
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