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Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night

Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night

Titel: Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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sagte Dad und lachte. »Also los, gehen wir.«

TEIL SECHS
Simons Geschichte

27
    Ratet mal, wo ich bin.
    Ach was, ihr kommt sowieso nicht drauf.
    Ich bin in Jodys Haus.
    Das Problem ist nur, dass sie nicht da ist.
    Nach dem gestrigen Telefonat bin ich Hals über Kopf hierhergefahren, um sie endlich in die Finger zu bekommen. Sie an Tom und die Jungs auszuliefern ist die einzige Möglichkeit, mich wieder mit ihnen zu versöhnen. Damit würde ich nicht nur Lisa retten, sondern auch meine eigene Haut. Das allein war jedoch noch kein Grund zur Eile, schließlich habe ich bis zehn Uhr Zeit. Aber ich wollte sie endlich, endlich für mich haben.
    Doch Tom hat mich gewarnt. Er hat gesagt, dass sie besser bewacht wäre als unser Präsident.
    Das war natürlich übertrieben. Trotzdem würde es dort von Polizisten nur so wimmeln.
    Mit anderen Worten: Das Haus zu stürmen war keine besonders gute Idee.
    Jetzt waren Vorsicht und Hirnschmalz gefragt.
    Und eine Perücke. Ich hatte Hillarys Haar zwar dabei, setzte es aber nicht auf. Es näherte sich nämlich langsam dem Verfallsdatum, um es mal so auszudrücken. Ein paar Meilen vom Hotel entfernt fuhr ich in eine Seitenstraße und warf es in den Müllcontainer eines Mietshauses.

    Dann begegnete ich Zugführer Bill.
    Natürlich weiß ich nicht, wie er wirklich hieß. Er war ein Penner. Ich nenne ihn Zugführer Bill, weil er einen ganzen Zug aus Einkaufswagen durch die Straße schob.
    Ich mag diese kleinen Gassen in L. A., besonders nachts. Viele sind ja gut beleuchtet, aber es gibt auch einige ziemlich finstere Ecken. Mit den Gebäuden zu beiden Seiten wirken die Straßen wie geheime Canyons mitten in der Stadt. Und bis auf die Penner sind sie völlig verlassen.
    In L. A. gibt’s Penner wie Sand am Meer, falls euch das noch nicht aufgefallen ist.
    Man darf sie ja nicht mehr Penner nennen. Sie heißen jetzt »Obdachlose«, sind aber eigentlich ein Haufen irrer Arschlöcher. Ständig betteln sie einen an. Man kann ja nirgendwo mehr hingehen, ohne dass einem einer hinterherstolpert wie ein gottverdammter Zombie aus Die Nacht der lebenden Toten .
    Irgendwann treiben sie mich noch in den Wahnsinn.
    Als ich Zugführer Bill sah, bekam ich die Wut. Er humpelte direkt vor mir hinter seinen Einkaufswagen her. Sein weißes Haar war ziemlich lang, und nur aufgrund seines alten Jacketts und der Hose erkannte man, dass er ein Mann war.
    Wahrscheinlich hatte er das Auto gehört. Ohne sich umzusehen, manövrierte er seinen Zug auf die Seite, um mir Platz zu machen. Der Zug bestand aus vier Einkaufswagen, die alle mit irgendwelchem Zeug gefüllt waren. Nach Pennermaßstäben war er wohl ein Krösus. Schließlich brauchte er ganze vier Einkaufswagen, um sein Hab und Gut zu transportieren.

    So ein Einkaufswagen kostet 120 Dollar, also schob er Diebesgut im Wert von einem halben Tausender mit sich herum.
    Er war nicht nur ein Penner, er war auch ein Dieb.
    Eigentlich genug Gründe, um ihm das Licht auszublasen. Aber deshalb hab ich’s nicht getan. Mir war einfach danach.
    Er beugte sich vor, um den Zug rasselnd und klirrend wieder in Bewegung zu setzen. Ich gab Vollgas, zog im letzten Moment zur Seite und erwischte seine Beine. Er wurde mit dem Hintern auf die Motorhaube geschleudert.
    Es interessierte mich, wie weit die verdammten Einkaufswagen fliegen konnten.
    Mann, das hättet ihr sehen sollen!
    Wie sich herausstellte, hatte er sie zusammengebunden. Eine ganze Weile segelten sie durch die Luft, dann landeten sie auf der Seite und rutschten über den Asphalt. Als sie endlich zum Stillstand kamen, waren Zugführer Bills Habseligkeiten überall verstreut.
    Bill selbst lag noch immer mit herunterbaumelnden Beinen auf der Motorhaube. Noch war er nicht tot, im Gegenteil: Er wimmerte, ruderte mit den Armen und versuchte, sich aufzusetzen.
    Da ich vermutete, dass der Lärm nicht wenige Leute in den Mietshäusern aufgeweckt hatte, brauste ich davon. Zwei ganze Blocks lang hielt sich Bill auf der Motorhaube. Er versuchte ständig, sich aufzusetzen, was ein ziemlich komischer Anblick war.
    Dann hielt ich in einer anderen Seitenstraße. Neben einer Mülltonne entdeckte ich einen Stapel Zeitungen. Ich schnappte mir ein paar Seiten aus dem Lokalteil
der L. A. Times , da ich Bill ja nicht mit bloßen Händen anfassen wollte, und rollte ihn von der Motorhaube herunter.
    Ein Windstoß fegte die Zeitung in die Nacht hinaus.
    Ich stieg wieder ein und setzte zurück, um ordentlich Schwung zu holen. Dann gab ich

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