Die Jagd - Laymon, R: Jagd - The Endless Night
Vollgas. Mit dem linken Vorder- und Hinterreifen fuhr ich direkt über seinen Kopf.
Es fühlte sich an, als würde man über eine ziemlich große Bodenschwelle fahren.
Danach musste ich mich aber wieder um dringendere Probleme kümmern.
Der Verkehr auf dem Pico Boulevard war kaum der Rede wert. Ein paar Fast-Food-Restaurants, Lebensmittelläden, Kneipen und Tankstellen hatten noch geöffnet. Ich studierte alle Schilder und Schaufenster.
Endlich entdeckte ich einen Laden namens Nuances, in dem eine ganze Heerschar von Schaufensterpuppen stand. Der Laden selbst hatte bereits geschlossen, doch die Puppen waren beleuchtet, damit man die Unterwäsche begutachten konnte, die sie trugen. Ich hielt vor dem Geschäft und schaltete die Scheinwerfer aus.
Eine Zeit lang saß ich einfach da und genoss die Aussicht.
Manche der Puppen trugen knappe Negligés, andere BHs und Höschen aus eng anliegenden, glänzenden oder durchsichtigen Spitzenstoffen. Alles war darauf ausgelegt, möglichst viel Haut zu zeigen. Es gab sogar Höschen mit offenem Schritt, und eine Puppe trug nichts außer schwarzen Strumpfhaltern und einer Netzstrumpfhose.
Aber ausnahmslos alle hatten Perücken auf dem Kopf.
Es gab Blondinen, Brünette und Rothaarige mit etwa einem Dutzend verschiedener Frisuren.
Selbst auf einer so vielbefahrenen Straße wie dem Pico gibt es manchmal eine Lücke im Verkehr. Genau darauf wartete ich, und nach fünf Minuten war es so weit. Das nächste Auto war noch etwa zwei Blocks entfernt.
Ich sprang aus dem Jaguar, rannte zur großen Schaufensterscheibe rechts vom Eingang und zerschmetterte sie mit dem Griff des Colts. Das ganze verdammte Fenster fiel in sich zusammen, und der Lärm des splitternden Glases hätte Tote erwecken können, von der Alarmanlage ganz zu schweigen.
Sobald die Scherben auf dem Boden lagen, stieg ich ein, riss vier der Schaufensterpuppen die Perücken vom Kopf und klemmte sie mir unter den Arm.
Dann sprang ich wieder auf den Gehweg und ging zum Jaguar zurück. Das nächste Auto war immer noch in sicherer Entfernung.
Ich hoffte nur, dass es kein Streifenwagen war.
Ich warf die Perücken auf den Beifahrersitz, setzte mich ans Steuer, steckte den Colt in die Handtasche zurück und fuhr los.
Ich bog in die nächste Querstraße und hielt in einiger Entfernung am Straßenrand an, um die Pico im Rückspiegel zu beobachten. Einige Autos fuhren vorbei, aber keines wendete. Schließlich schaltete ich die Scheinwerfer wieder ein und fuhr weiter.
In einer weiteren abgelegenen Seitenstraße probierte ich die Perücken an. Sie hatten alle dieselbe Größe, was bedeutete, dass sie mir etwas zu eng waren. Aber lieber zu eng als zu weit, sagte ich mir. Dann war es eben etwas unbequem, aber immer noch besser als Hillarys Haare
natürlich. Außerdem waren die Dinger trocken und klebten nicht.
Ich entschied mich für die blonde Perücke. Sie hatte volle Locken, eine Frisur wie für einen Pornostar.
Der ideale Hollywood-Look.
Und da wollte ich auch hin: nach Hollywood.
Samstagnacht waren die Hauptverkehrsadern der Stadt natürlich verstopft. Menschen drängten sich auf den Gehwegen. Ich fuhr den Hollywood Boulevard entlang, um meine Wirkung auf die Männerwelt zu testen.
Selbst die Frauen drehten sich nach mir um.
Ich saß in einem roten Cabrio, erinnert ihr euch? Die Leute pfiffen mir hinterher, als ich mit meiner tollen neuen Perücke und dem ärmellosen Kleid an ihnen vorbeirollte. Sie starrten mich an. Wahrscheinlich dachten sie, dass ich entweder eine berühmte Schauspielerin oder eine Nutte wäre. Um sie nicht zu enttäuschen, warf ich ihnen Küsschen zu und winkte.
Man kann es nicht anders sagen: Als Frau bin ich reinstes Dynamit.
Aber ich hatte eine Aufgabe zu erledigen, also verzog ich mich in eine der ruhigeren Seitenstraßen. Es waren nur wenige Leute zu sehen, die entweder auf dem Weg zu ihren Autos waren oder spazieren gingen, dazu ein paar Jogger und Walker. Und natürlich die Hundebesitzer.
Es gibt zwei Arten von Hundebesitzern. Die einen gehen gerne spazieren und haben den Hund zu ihrem Schutz dabei. Das erklärte Ziel der anderen ist es, ihrem Hund etwas frische Luft zu verschaffen – in Wahrheit wollen sie nur, dass der Köter sein Geschäft möglichst weit entfernt von ihrem Grundstück verrichtet.
Der Hund ist der beste Freund des Menschen.
Ein Ende bellt, das andere scheißt.
Ich könnte sie alle umbringen.
Das tue ich auch, wenn ihr’s genau wissen wollt. Das ist zwar nicht so
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