Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Jagd nach dem Vampir

Titel: Die Jagd nach dem Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
Vom Netzwerk:

    Ich nickte fröhlich. Dabei hatte ich Mr Bellamy im Verdacht, dass er uns in diese sauberen Sachen hatte stecken wollen. Immerhin hatte er schon nicht gewollt, dass unsere Stiefel seine kostbaren Böden verschmutzten, und so war anzunehmen, dass er auch nicht wollte, dass unsere schmutzigen Hosen das Musikzimmer besudelten – aber es war egal, wer die Idee gehabt hatte. Mein Morgenrock gefiel mir so sehr, dass ich schon plante, ihn in meinem Rucksack hinauszuschmuggeln, wenn wir Aldercot verlassen würden.
    Mr Bellamy – vermutete ich – hatte für mich einen sanft fallenden, knöchellangen Kimono ausgesucht, dessen Muster schneeweiße Kraniche im Flug vor einem silbernen Hintergrund zeigte. Nicht die Art von Kleidung, die ich tragen würde, wenn ich Bill Schinken briet oder den Dreck von den Zwillingen schrubbte, aber der Kimono schmeichelte dem Mädchen in mir auf eine Weise, wie es Jeans und Turnschuhe nicht vermochten. Ich hatte das Gefühl, als würde er beim Gehen schimmern. Kits pflaumenfarbener Morgenrock mit dem Paisleymuster hatte ebenfalls Klasse, reichte aber an meinen Kimono nicht heran.
    »Wie konntest du mir das antun, Lori?«, flüsterte er wütend.
    »Ich weiß nicht, worüber du dich beschwerst.« Ich zeigte auf seinen Morgenrock. »Es ist ja nicht so, als wärst du darunter nackt.« Nach einem kurzen Zögern fügte ich unsicher hinzu: »Oder etwa doch?«
    »Natürlich nicht«, entgegnete Kit empfindlich.
    »Ich auch nicht. Warum also die ganze Aufregung? Zumindest sind deine Hausschuhe von der praktischen Sorte, Schafleder, nehme ich an. Schau nur, was Mr Bellamy für mich ausgesucht hat.« Ich hob einen Fuß, um ihm das Modell aus mitternachtsblauem Samt vorzuführen, das von flaumigen blauen Federn geschmückt wurde. »Kleine, spitze Absätze, sieh nur. Welche Frau bei Verstand trägt Hausschuhe mit Absätzen?«
    »Wenn Henrietta mir auflauert«, murmelte Kit und warf einen furchtsamen Blick über die Schulter, »werde ich deine spitzen Absätze benutzen, um sie abzuwehren.«
    Ich hörte ihm kaum zu, denn der Anblick meiner pompösen Slipper hatte mich auf einen neuen, unglaublichen Plan gebracht. »Wenn ich aufgrund dieser dämlichen Treter mit dem Fuß umknicke, muss uns Miss Charlotte über Nacht hierbehalten. Dann haben wir die ganze Nacht, um das Haus zu durchsuchen, vom Keller bis zum …«
    »Denk nicht mal daran«, unterbrach Kit mich und warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Mag sein, dass Rendor kein Vampir ist, aber Henrietta Harcourt ist definitiv einer, und ich werde die Nacht nicht in einem Haus verbringen, in dem sie an meiner Schlafzimmertür kratzt.«
    »Ich beschütze dich«, versprach ich kichernd.
    »Ich glaube nicht, dass sie sich vor Knoblauch fürchtet«, sagte Kit verdrossen. »Ich habe ihre Würstchen probiert.«
    Wir verstummten, da Mr Bellamy aus der Küche kam und uns bedeutete, ihm den Dienstkorridor hinab zu folgen. Nachdem er die Küchentür geschlossen hatte, fiel mir auf, wie kalt es auf dem Flur war. Während ich hinter dem Butler hertrippelte, versenkte ich die Hände in die Taschen meines Kimonos und wünschte, ich hätte mein Extrapaar Wollsocken an den Füßen statt federngeschmückte Slipper.
    Selten hatte ich an einem merkwürdigeren Umzug teilgenommen. Der kahle Mr Bellamy in seinem makellosen schwarzen Anzug ging voran, aufrecht und ernst wie ein Bestatter. Kit folgte ihm mit verschränkten Armen und nach vorn gebeugten Schultern. Er sah aus, als würde er es vorziehen, den Mount Everest mit einer Zahnbürste zu säubern, statt im Morgenrock eines anderen durch ein fremdes Haus zu gehen. Ich bildete die Nachhut, genoss das Gefühl von weicher Seide auf meiner Haut und sah mich aufmerksam um.
    Das Erste, was mir auffiel, war – wie passend – die Düsternis. Der Dienstbotenkorridor war von gerade einmal zwei weit auseinanderhängenden Lampen beleuchtet, die mit schwachen Glühbirnen bestückt waren. Jede Tür, an der wir vorbeikamen, war geschlossen, und das einzige Geräusch, das die bleierne Stille störte, war das Rascheln von Kits Schaflederslippern, das leise Ächzen von Mr Bellamys Lederschuhen und das Klicken meiner lächerlichen Absätze auf dem Dielenboden.
    Als uns Mr Bellamy eine hölzerne Treppe hinauf und durch eine mit grünem Stoff bedeckte Tür führte, erwartete ich, dass mich das Licht in den oberen Räumen blenden würde, aber es war hier nicht heller als auf dem Dienstbotenflur. Im schwachen Glanz eines einzelnen

Weitere Kostenlose Bücher