Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
Gelegenheit dazu gehabt, ihm von ihrem Gespräch mit Hannah Bender zu berichten. Also holte sie das nach und endete mit den Worten: „Und wenn es stimmt, was sie sagt, hat Fennrich Viola Krempinskis Mutter bis zu deren Tod regelmäßig besucht.“
„Das ist allerdings seltsam“, gab Verhoeven zu. „Andererseits könnte es natürlich durchaus auch ein Indiz dafür sein, dass Fennrich mit der Sache zu tun hatte.“
„Sie meinen, er half Margo Krempinski aus Reue?“
Er zuckte die Achseln. „Vielleicht gab es ihm auch einen zusätzlichen Kick, einen freundschaftlichen Kontakt zur Mutter seines damaligen Opfers auszubauen.“
„Schätzen Sie Fennrich tatsächlich so ein?“, fragte sie. „So … pervers?“
Ihr Vorgesetzter stieß einen resignierten Seufzer aus. „Ich fürchte, allmählich weiß ich gar nichts mehr.“
Ihre Finger spielten am Saum ihres T-Shirts. „Vielleicht stellen wir einfach die falschen Fragen.“
Verhoeven hob den Kopf. „Wie meinen Sie das?“
„Nehmen Sie diese Sache mit Ann-Kathrin Jehninger“, antwortete sie. „Die Kollegen laufen überall herum und fragen, wer das Mädchen nach 15 Uhr 30 noch gesehen hat. Oder wem ein Auto aufgefallen ist. Ein Mann, der irgendwo war, wo er nicht hingehörte. Solche Dinge.“ Sie überlegte einen Augenblick. „Vielleicht geben wir damit allzu bereitwillig eine ganz bestimmte Richtung vor.“
„ Und wie, denken Sie, sollte man die Sache stattdessen angehen?“, fragte er mit echtem Interesse.
Etwas, das Winnie eher unter Druck setzte als beflügelte. Zumal sie selbst nicht genau wusste, was sie dachte. Sie schüttelte ärgerlich den Kopf. „Ach, keine Ahnung. Das ist nur so ein Gefühl, wissen Sie. Dass wir nach etwas anderem fragen sollten als nach konkreten Fakten.“
Das schien er nachvollziehen zu können, denn er nickte. „Schwierig“, murmelte er.
Oh ja, dachte Winnie und folgte seinem Blick zurück zu dem Flyer mit den mysteriösen Zahlen. „Am Ende sind das irgendwelche Schachzüge oder so was“, schlug sie vor, halb im Scherz, halb ernst. „Sie wissen schon, Springer auf B6 oder etwas in dieser Art.“
„Apropos …“ Verhoeven ließ seine Schulter los. „Bei der ganzen Aufregung sind Sie heute glatt um Ihre Pokerrunde gekommen, nicht wahr?“
„Ach das ...“ Es verblüffte sie, dass Verhoeven von ihrer Pokerei wusste. Dass er überhaupt etwas von ihr wusste. Etwas Privates. Außer der Sache mit ihrer Schwester. Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu. War sie vielleicht gar Thema, wenn Verhoeven mit den altgedienten Kollegen klatschte? Mit Bredeney und Lübke und Wem-auch-immer? Der Gedanke beunruhigte sie, auch wenn sie sich eigentlich nicht vorstellen konnte, dass einer wie Lübke allzu freizügig aus dem Nähkästchen plauderte. Trotzdem konnte man natürlich nie wissen. „Kein Problem“, entgegnete sie leichthin. „Ist hin und wieder `ne schöne Abwechslung, so mit den Kollegen zusammenzusitzen, aber ich verliere ja sowieso fast immer.“
„Tatsächlich?“
Nein, sie verlor selten. Sie hatte nur sehen wollen, wie viel er wusste. „Ich müsste meine Mimik besser im Zaum halten“, setzte sie ihre Flunkereien ungeniert fort, als sie sah, dass er keine Ahnung hatte. „Aber ich arbeite dran.“
„Lübke lässt Sie übrigens herzlich grüßen.“
„Danke.“ Zu knapp. Zu desinteressiert. Mit einem Wort: ganz und gar unglaubwürdig. Zum Glück beschäftigte sich Verhoeven gedanklich bereits wieder mit seinem Lieblingsthema, denn er hielt ein Foto von Edda Benders Sandalette in der Hand.
„Wenn Eddas Mörder …“ Er stutzte, als ihm bewusst wurde, was er da gesagt hatte. Aber er korrigierte sich auch nicht. Im Grunde waren sie beide davon überzeugt, dass Edda Bender nicht mehr am Leben war. Genauso wenig wie Viola Krempinski. „Wenn der Mörder ihre Sandalette tatsächlich mit voller Absicht im Wald deponiert hat, muss er zwangsläufig damit in Berührung gekommen sein.“ Für einen flüchtigen Moment sah er zum Fenster hinüber, hinter dem es so dunkel war, wie es in einer sternklaren Julinacht werden konnte. „Und folglich könnte man, selbst wenn er Handschuhe getragen hätte, mit heutigen Methoden vielleicht eine brauchbare Spur finden.“
„Sie denken an DNA?“ Sie wusste aus der Akte, dass Edda Benders Sandalette auf Fingerabdrücke untersucht worden war, aber die Kollegen hatten nur einen Teilabdruck gefunden. Nicht mehr als ein Puzzleteilchen und gänzlich unbrauchbar, solange man
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