Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
der letzten Tage wollte sie sich auch keine allzu großen Hoffnungen machen.
„Ja, ich verstehe“, sagte Verhoeven und beendete das Gespräch.
Winnie sah ihn an.
„Das Labor hat genetisches Material von zwei verschiedenen Personen auf Edda Benders Sandalette gefunden“, berichtete er. „Es ist stark denaturiert, aber sie wollen sehen, was sie retten können.“
„Meinen Sie, es reicht für einen Abgleich?“
Er runzelte die Stirn. „Abwarten.“
12
Eine gute Stunde später traf sich die Sonderkommission „Ann-Kathrin“ zu einer neuerlichen Besprechung. Das Phantombild des Mannes, den Miriam Lauterbach nur den „Scheißkerl“ nannte, war fertig. Es zeigte ein nichtssagendes Gesicht mit weit auseinander stehenden Augen und schmalen Li ppen. Kein Bart. Keine Brille. Dazu helles, kurzgeschnittenes Haar. Ein Allerweltstyp.
„Unser Mann ist etwa dreißig bis fünfunddreißig Jahre alt und nicht allzu groß“, fasste Verhoeven vor dem an die Wand projizierten Gesicht des Verdächtigen noch einmal die Fakten zusammen. „Wie Sie sehen, ist das Phantombild erstaunlich präzise geworden.“
„Gibst du es an die Presse?“, fragte Brüning, der beim Fenster saß und in einem blauen Kaffeebecher rührte.
„Noch nicht.“
„Wieso nicht?“
„Weil ich nicht riskieren möchte, dass der Kerl sein Gesicht im Fernsehen sieht und sich vor lauter Schreck zu einer Kurzschlussreaktion hinreißen lässt.“
Jetzt hob er doch den Kopf, und zum ersten Mal im Verlauf der vergangenen Tage glaubte Verhoeven, einen Hauch von Schweiß auf der Stirn des erfahrenen Kollegen zu entdecken. „So was kann nach hinten losgehen, mein Junge.“
„Alles kann immer und jederzeit nach hinten losgehen“, entgegnete Verhoeven, überrascht von seiner eigenen Gelassenheit. Dieser Fall relativierte vieles. Selbst die Angst, derer er sich zeit seines Lebens so sicher gewesen war.
Brüning sah auf die Uhr. „Wenn sich der Täter an seine übliche Vorgehensweise hält, müsste er Ann-Kathrin Jehninger in etwa einundzwanzig Stunden freilassen. Falls er bei dem ganzen Aufruhr überhaupt wagt, das Haus zu verlassen“, fügte er einschränkend hinzu.
Verhoeven nickte. „Wir postieren mit Einbruch der Dunkelheit Überwachungsteams an allen relevanten Orten“, sagte er. „Vor dem Kindergarten, auf dem Parkplatz, vor Ann-Kathrins Elternhaus und auch vor der Tagesstätte, in die er Corinna Schilling zurückgebracht hat.“
„Der Kerl wäre verdammt blöd, wenn er nicht damit rechnete“, bemerkte Brüning , ohne eine Miene zu verziehen.
„Hast du einen besseren Vorschlag?“, fragte Verhoeven.
Er schüttelte nur den Kopf.
„Was ist mit seinem Wagen?“ , fragte einer seiner Lakaien in gelangweiltem Ton.
„Eine dunkelblaue Limousine“, antwortete Verhoeven. „ Aller Wahrscheinlichkeit nach ein Passat. Hellgraue Sitze, anthrazitfarbene Armaturen. Am Rückspiegel hängt etwas, das Miriam Lauterbach als eine Art Kette beschrieben hat.“
„Ein Rosenkranz?“, schlug Winnie Heller vor.
„Daran habe ich auch gedacht“, nickte Verhoeven. „Aber Miriam Lauterbach ist sich ziemlich sicher, dass sie kein Kruzifix oder etwas ähnliches gesehen hat. Außerdem seien die Perlen oder Kettenglieder größer gewesen. Eher wie bei diesen Glücksbändchen aus Edelsteinen, die die Leute vor ein paar Jahren getragen haben.“
Brüning machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Die zuständigen Kollegen fragen gerade die Datenbanken nach einem entsprechenden Fahrzeug ab.“ Verhoeven dachte gar nicht daran, sich aus der Ruhe bringen zu lassen. „Sie werden uns in Kürze mit einer Liste von Haltern beglücken, die bei diesem Fahrzeugtyp und dieser Farbe ziemlich lang ausfallen dürfte.“
„Also jede Menge Fleißarbeit“, brummte Brüning unwillig.
„Leider.“
„Zwei Teams sind mit dem Phantombild unseres Mannes unterwegs zu den Zoohandlungen und Baumärkten der Umgebung“, setzte Werneuchen hinzu, der diesen Teil der Ermittlungen koordinierte. „Vielleicht haben wir Glück und es erinnert sich irgendwo ein Verkäufer an ihn.“
„Wenn unser Mann dibbert, dass die kleine Lauterbach ihn vielleicht wiedererkennt“, setzte Brüning an, doch Verhoeven unterbrach ihn mit derselben Vehemenz, mit der er zuvor bereits Winnie Hellers Vorschlag zurückgewiesen hatte.
„Vergiss es“, sagte er bestimmt. „Ich benutze keine Kinder als Köder.“
13
Winnie balancierte einen etwas zu vollen
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