Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
Zoohandlung im Industriegebiet hat in dem Mann auf dem Phantombild einen seiner Kunden erkannt. Und dieses Mal haben wir sogar Glück: Der Händler hat Namen und Telefonnummer des betreffenden Kunden in seiner Datei, weil der Mann hin und wieder seltenes Zubehör kauft, das erst bestellt werden muss.“ Er sprach im Laufen weiter, während Winnie hinter ihm her rannte. „Bernhard Vondanck. Busfahrer. Unverheiratet. Keine Kinder.“
Wow, dachte sie. Das klingt vielversprechend!
„Der Mann wohnt im Nachbarort“, fuhr Verhoeven atemlos fort. „Seine Mutter ist vor ein paar Wochen aus der gemeinsamen Wohnung in eine Brixenheimer Einrichtung für betreutes Wohnen gezogen. Und die ist in der Straße, in der Miriam Lauterbach ihren Belästiger erst gestern gesehen haben will.“
Keuchend sprang Winnie auf den Beifahrersitz. Im Rückspiegel sah sie Brüning und seine Leute zu ihrem Autos rennen. „Was für einen Wagen fährt Vondanck privat?“
Verhoevens Gesichtsausdruck verriet es ihr, bevor er antwortete. „Einen dunkelblauen Passat, Baujahr 2002.“
„Wenn Sie mich fragen, klingt das nach einem Volltreffer“, schrie Winnie gegen den Lärm des Gebläses.
Ihr Vorgesetzter nickte. Er fuhr zügig, aber unauffällig. Immer wieder sah er in den Rückspiegel, um sicher zu gehen, dass Brüning und seine Leute ihnen folgten. Seine Kiefer mahlten vor Anspannung.
„Vondanck hatte letzte Woche Dienstag und Mittwoch Urlaub“, meldete Werneuchens knarrende Stimme über Funk. „Den Kollegen hat er erzählt, dass er ein paar Dinge für seine Mutter regeln müsse. Donnerstag früh saß er wieder auf dem Kutschbock.“
„Wie sieht’s mit gestern aus?“, fragte Verhoeven.
„Da hatte er Spätschicht“, knarrte Werneuchen. „Von abends um neun bis heute früh um sechs.“
Winnie blickte auf die Uhr neben dem Tacho. „Folglich hat er jetzt noch immer frei?“
Der Kollege im Präsidium bejahte. „Dienstbeginn ist neun Uhr abends, genau wie gestern. Schichtende morgen früh um sechs. Den Rest des Sonntags hat er frei. Und ab Montag fährt er dann wieder tagsüber.“
„Das Haus dort drüben müsste es ein“, sagte Verhoeven und hielt etwa hundert Meter von einer größeren Wohnanlage entfernt. Drei identische Häuser. Neun Parteien pro Eingang. Schmale, zweckmäßig bepflanzte Vorgärten. Eine Gegend, in der man nicht sonderlich auffiel. Vermutlich nicht einmal, wenn man ein fremdes Kind bei sich hatte. Auf der anderen Straßenseite standen ein paar Hochhäuser mit billigen Discountern im Erdgeschoss.
Winnie zog ein Fernglas aus dem Handschuhfach. „ Da hinten ist es“, meldete sie. „Nummer Siebenundzwanzig. Links unten ist ein Friseur. Wissen wir die Etage?“
Ihr Vorgesetzter verneinte. „Wir müssen vorsichtig sein. Wenn Vondanck den Braten zu früh riecht, begeht er am Ende noch irgendeine Dummheit.“
Sie nickte. „Ich könnte gehen“, schlug sie mit einem Blick in den finsteren Gewitterhimmel vor. „Möglicherweise nimmt er eine kleine, schmutzige Frau nicht allzu ernst.“
„Jemand, der etwas zu verbergen hat, nimmt alles ernst“, entgegnete Verhoeven wenig hoffnungsvoll.
Trotzdem stimmte er zu, dass sie zunächst alleine ging.
Der Anordnung der Klingelschilder zufolge wohnte Vondanck im zweiten Stock auf der rechten Seite. Im Treppenhaus schwebte ein ekelerregender Geruch nach erkaltetem Essen. Irgendwo plärrte ein Fernseher. Das Haus schien hellhörig zu sein. War das ein schlechtes Zeichen? Winnie schluckte. Wie brachte ein verschrobener Junggeselle fremde Kinder dazu, leise zu sein? Nicht zu weinen? Oder nach ihrer Mutter zu rufen?
Nachdem die Haustür hinter ihr ins Schloss gefallen war, lud sie ihre Dienstwaffe durch und schob sie im Rücken unter ihre Bluse, wo sie sie griffbereit in den Bund ihrer Hose steckte. Dann stieg sie die Treppe hinauf. Auf den Stufen hatte jemand etwas verschüttet, das wie Cola aussah. Die Sohle knirschte, als ihr Fuß daran kleben blieb. Aber ihr leises Fluchen ging unter in einem nicht mehr allzu fernen Donnergrollen.
Genau wie an dem Tag, an dem Lilli starb, dachte Winnie unbehaglich.
Sie sah um die nächste Ecke nach oben, verschaffte sich einen Eindruck, checkte die Lage. Wer konnte woher kommen? Wer unverhofft auftauchen?
Unter sich, auf dem nächsten Treppenabsatz, hörte sie die Schritte ihrer Kollegen, die ihr gefolgt waren. Einer nach dem anderen. Unauffällig. Sie so nah zu wissen, beruhigte sie. Trotzdem pochte das Adrenalin durch ihre
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