Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
abwehrend die Hände.
„Dann erzähl mir nichts über Mädchenfarben!“ Sie stellte eine Schüssel mit sorgfältig abgewogenen Haselnüssen beiseite und griff nach einer Tafel Blockschokolade. „Übrigens wollte unsere Tochter vor kurzem ein T-Shirt mit Tarnmuster. Du weißt schon, so eins, mit dem die Kinder aussehen, als ob sie auf dem Weg in irgendeinen gottverdammten Krieg wären.“ Sie schüttelte sich.
„Hat sie’s bekommen?“
„Ja.“ Sie lachte. „Denn weißt du, was sie als Begründung genannt hat?“
„Nein, k eine Ahnung“, sagte Verhoeven. „Dass die Jungs in ihrem Kindergarten auch solche Dinger tragen?“
„Nein“, entgegnete seine Frau mit einem Anflug von Stolz. „Dass sie auf diese Weise näher an die Vögel herankommt, die sie beobachten will.“
„Tolles Kind.“ Er lächelte. „Bei diesem naturwissenschaftlichen Enthusiasmus bringt sie es bestimmt mal zur Bundeskanzlerin.“
„Gott bewahre“, rief Silvie entsetzt. „Dann sehen wir sie nur noch an Weihnachten oder in Bayreuth, und wenn sie nicht gerade von Kontinent zu Kontinent jettet, muss sie sich mit irgendwelchen selbstherrlichen Machos herumschlagen. Ist es das, was du dir für deine Tochter wünschst?“
Verhoeven verneinte und beschloss, auch dieses Thema lieber nicht zu vertiefen. „Und wie ist es beim Zahnarzt gelaufen?“, fragte er stattdessen. „Hat unser armes Mädchen, das keins sein will, sehr gelitten?“
Seine Frau schüttelte amüsiert den Kopf. „Du weißt doch, wie sie ist: Nadeln und Spritzen und medizinische Geräte faszinieren sie eher, als dass sie sie abschrecken. Und Dr. Kästner war so nett, ihr jeden Handgriff ganz genau zu erklären.“ Sie ließ die Packung Mehl sinken und drehte sich zu ihm um. „Kurz gesagt: Deine Tochter hatte einen phantastischen Tag.“
Ganz im Gegensatz zu mir, dachte Verhoeven.
„Übrigens fand sie die Sache mit der Betäubung brüllend komisch“, kicherte Silvie hinter ihrer Arbeitsplatte. „Und sie war furchtbar enttäuscht, dass sie bei unserer Ankunft im Kindergarten schon wieder richtig sprechen konnte.“
„Du hast sie anschließend noch in den Kindergarten gebracht?“, fragte Verhoeven, wobei er sich alle Mühe gab, seine Worte in keiner Weise vorwurfsvoll klingen zu lassen. Doch seine Frau kannte ihn zu gut, als dass sie seine Missbilligung nicht trotzdem herausgehört hätte.
„Ja“, antwortete sie spitz. „Ich habe sie gefragt, und sie wollte hin. Spricht aus deiner Sicht irgendwas dagegen?“
Verhoeven hütete sich, diese Frage zu beantworten .
„Das Kind war beim Zahnarzt, Hendrik“, sah seine Frau sich genötigt, hinzuzufügen. „Es ist nicht etwa am Blinddarm operiert worden oder so was.“
„Aber es war ein heißer Tag“, widersprach er jetzt doch. „Und solche Wunden können sich leicht wieder …“
„Geh rauf und sieh sie dir an“, unterbrach Silvie in einem Tonfall, der ihn stutzig machte. „Na los doch! Dann wirst du nämlich sehen, dass sie heil und gesund und allerbester Dinge ist. Und wenn du zu einer zivilen Zeit nach Hause kommen würdest, hättest du sie sogar herumspringen sehen können.“
Verhoeven ignorierte den Seitenhieb auf seine Dienstzeiten und räumte stattdessen sein Abendbrotsgeschirr in die bereits übervolle Spülmaschine. Dann warf er einen Blick auf die Zutaten, die auf der Arbeitstheke standen. „ Agavendicksaft und … Ahornsirup?“
Sie nickte.
„Wofür brauchen wir den?“, fragte er mit einem Anflug von Misstrauen, das durch die Antwort seiner Frau umgehend bestätigt wurde.
„Für Dominiks Dinkel-Möhrenkuchen. Anstelle von Zucker.“
„Herrgott, noch mal!“ Er verdrehte die Augen. „Ich denke, der kleine Fettsack hat eine Glutamat-Allergie.“
Silvie bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. „Seine Eltern sind der Meinung, dass zu viel Raffinadezucker ungesund ist.“
„ Nein, Übergewicht ist ungesund“, versetzte Verhoeven in Anspielung auf Dominik Rieß-Sempers puttenhafte Rundungen. „Und wenn du mich fragst, kommen die süßen Speckröllchen, die unseren kleinen Kavalier umgürten, nicht allein von den guten Frischkornbratlingen.“
„Gewicht ist Veranlagungssache“, erwiderte seine Frau, indem sie ihren trotz reichlichen Raffinadezuckergenusses elfenhaft zarten Körper über eine Backform beugte.
„Ja, na klar “, höhnte Verhoeven. „Und die Erde ist eine Scheibe.“
Silvie gab einen missbilligenden Laut von sich. „Also wirklich, Hendrik, deine
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