Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
Beweise für ein Fremdverschulden?“
„Schwierig in so einem Fall“, brummte Dr. Gutzkow. „Ich habe ein paar frische Hämatome und Quetschungen gefunden, die darauf hindeuten, dass sie festgehalten wurde, womöglich, um ihren Körper unter Wasser zu drücken.“
„Was ist mit den Wunden in ihrem Hals?“, fragte Verhoeven, indem er die Haustür aufschloss und die Autoschlüssel auf den alten Buffetschrank warf, der neben der Garderobe stand. „Der Arzt, den die örtlichen Kollegen hinzugezogen haben, hatte den Eindruck, dass es sich dabei um Verätzungen handeln könnte.“
„Stimmt“, bestätigte Dr. Gutzkow . „Wir haben Spuren von Natronlauge und verschiedenen anorganischen Salzen gefunden. Außerdem noch ein oder zwei andere Substanzen. Die genaue Analyse steht noch aus.“
Verhoeven blieb stehen. Er fühlte sich müde und ausgetrocknet. Die Gewitter hatten sich bereits vor Stunden verzogen, und auch der Sonnenuntergang hatte keine Abkühlung gebracht. „Was genau könnte das gewesen sein, das Lilli Dahl da verabreicht wurde?“, fragte er.
„Allem Anschein nach ein Granulat, das Natriumhydroxid enthält“, antwortete Dr. Gutzkow nach kurzem Zögern. „Rohrreiniger vielleicht. Aber das ist noch inoffiziell.“
Er lächelte. Die Pathologin war für ihre übertriebene Vorsicht ebenso bekannt wie für ihre Fachkompetenz und ihr entschiedenes, insgesamt recht burschikoses Auftreten, das ihr innerhalb des Präsidiums den Spitznamen „Potemkin“ eingetragen hatte. Nach dem Panzerkreuzer, nicht nach dem Staatsmann.
„Haben Sie etwas, das zu dieser Annahme passen würde?“, erkundigte sie sich jetzt.
„Wir haben verschiedene Putzmittel gefunden“, sagte Verhoeven. „Und auch Pestizide. Ist bereits alles im Labor.“
„Gut.“ Sie schluckte hörbar. Vielleicht trank sie Kaffee, während sie telefonierte. „Ihre Tote hatte übrigens auch eine ganze Reihe alter Verletzungen“, fuhr sie gleich darauf mit der gewohnten Routine fort.
Verhoeven horchte auf. „Von Misshandlungen?“
„Vielleicht ja, vielleicht nein.“
„Der Ehemann?“
Ihre Antwort war schnell und eindeutig. „Nein, die Verletzungen sind älter.“
„Wie alt?“
„Die meisten davon müssen bereits im Kleinkindalter entstanden sein.“
Unwillkürlich musste Verhoeven daran denken, was Lilli Dahl über ihre Kindheit notiert hatte. Zwei linke Hände. Ein Lutscher aus der Notaufnahme. Pillen, die versehentlich herumgelegen hatten.
„Über was für Verletzungen sprechen wir hier?“, hakte er nach.
„Frakturen hauptsächlich.“
„Absichtlich herbeigeführt?“
Die Pathologin gab einen unwilligen Laut von sich. „Ich fürchte, es ist unmöglich, das nach so langer Zeit zu sagen.“
Verhoeven nickte. Er wusste, dass sie Recht hatte. „Wurden die Verletzungen behandelt?“
„Ja“, antwortete sie. „Fachmännisch.“
„Und das bedeutet?“
Sie lachte laut und heiser, als habe er irgendeine unflätige Schweinerei geäußert. „Ick kann Ihnen nur sagen, wat ick jefunden habe.“ Wenn sie amüsiert war, kam gelegentlich ihr Berliner Akzent durch. „Die Deuterei ist Ihre Sache.“
Na klar, dachte Verhoeven. Meine Sache. Wie oft habe ich das heute schon gehört? Mein Fall. Meine Tote. Meine Kollegin. Meine Beurteilung.
„Und was gibt’s sonst?“
„ Sie hat keine nennenswerten Abwehrverletzungen“, entgegnete die Pathologin, nun wieder ernst und auf hochdeutsch. „Aber das haben Sie mit Sicherheit schon selbst gesehen. Keine Spuren einer Vergewaltigung. Kein einvernehmlicher Geschlechtsverkehr in den letzten achtundvierzig Stunden vor ihrem Tod. Ihre Tote hat niemals ein Kind entbunden und war alles in allem leicht unterernährt.“ Er hörte ein Rascheln, das wie Papier klang, und es beruhigte ihn, dass offenbar selbst eine Pedantin wie Dr. Gutzkow von Zeit zu Zeit etwas nachsehen musste. „Dreiundfünfzig Kilogramm“, meldete sie sich kurz darauf mit den detaillierteren Informationen zurück. „Bei einer Körpergröße von einem Meter neunundsechzig.“
Verhoeven ließ diese neuen Informationen einen Moment lang auf sich wirken. „Und es gibt keine Hinweise, dass ihr dieses Zeug, was immer es letztlich gewesen ist, gewaltsam eingeflößt wurde?“
„Nein, keine. Und rein theoretisch …“ Die Pathologin unterbrach sich und wechselte ein paar Worte mit jemandem, dessen Antworten Verhoeven nicht hören konnte. Es war wenige Minuten nach neun, aber Dr. Gutzkow war bekannt dafür, bis in den
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