Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)
späten Abend hinein zu arbeiten, und ganz offensichtlich mussten auch einige ihrer Mitarbeiter ihren Anspruch auf einen geregelten Feierabend dem Arbeitseifer ihrer Chefin unterordnen. „Rein theoretisch hätte die Frau den Kakao mit dem Rohrreiniger durchaus selbst trinken können.“
„Das Zeug war in Kakao?“ Verhoeven schüttelte ungläubig den Kopf. Irgendwie erschien ihm Kakao in einem solchen Zusammenhang unpassend, fast stilbrüchig. Ein Kindergetränk und Rohrreiniger. Vernachlässigung und Mord …
„Ja, Kakao“, bestätigte Dr. Gutzkow am anderen Ende der Leitung. „Selbst angerührt, kein Fertigprodukt. Die Lauge muss ihr ziemlich zu schaffen gemacht haben, aber sie hätte sie nicht umgebracht.“
Also hat man sie ertränkt, schloss Verhoeven.
Warum nennst du ihn immer deinen Hauptverdächtigen?, beschwerte sich Brüning hinter seiner Stirn. Ich denke, der Mann hat gestanden …
„Meinen vollständigen Bericht bekommen Sie morgen im Laufe des Vormittags“, riss Dr. Gutzkows sonore Stimme ihn in Hier und Jetzt zurück. „Das heißt, wenn Ihnen das früh genug ist.“
Verhoeven bejahte. „Danke, dass Sie die Sache so prompt erledigt haben.“
„Keine Ursache“, entgegnete die Pathologin. „Ist ohnehin Sommerflaute.“
„Wie auch immer, vielen Dank.“
„Schon gut.“
Sie hatte aufgelegt, bevor er das Handy vom Ohr genommen hatte.
Verhoeven starrte nachdenklich auf seine Füße hinunter, während die unterschiedlichsten Informationen hinter seiner Stirn vorbeizogen. Eine alte Frau liegt tot in ihrem Bett. Sie hat einen Becher mit vergiftetem Kakao getrunken. Ihr Körper weist zahlreiche Verletzungen auf. Verletzungen aus der Kinderzeit. Frakturen.
Ein ungeliebtes Kind.
Eine vergessene Frau inmitten von Schilf und Mohn.
Ein Routinefall …
„Ich dachte mir doch, dass ich deine Stimme gehört habe.“
Er blickte auf.
Angesichts der Wärme trug seine Frau ein schlichtes weißes Top mit Spaghettiträgern und dazu einen knielangen, gestreiften Baumwollrock „Hast du die Tür zur Küche nicht gefunden oder soll ich dich einfach in Ruhe lassen?“
Verhoeven hielt entschuldigend sein Handy hoch. „Ein dringender Anruf aus der Gerichtsmedizin.“
„Oh, mein Gott!“ Sie riss in gespieltem Entsetzen die Augen auf. „Du betrügst mich doch nicht etwa mit diesem preußischen Kleiderschrank?“
„Dr. Gutzkow verfügt über ein paar höchst bemerkenswerte Qualitäten“, entgegnete er mit einem viel sagenden Lächeln.
„Ach wirklich?“ Sie lächelte auch und strich sich eine blonde Haarsträhne aus der Stirn. „Und was ist mit dem Hund?“
Unwillkürlich sah Verhoeven zur Treppe. Silvie hatte nicht gerade leise gesprochen, und seine Tochter hatte ausgesprochen gute Ohren. Ganz besonders im Umfeld von Weihnachten und Geburtstagen …
„Sie schläft schon seit gut zwei Stunden“, beruhigte ihn seine Frau, die seinem Blick gefolgt war. „Also was ist nun? Hast du dich im Tierheim umgesehen?“
„Ja , habe ich.“ Er hatte keine Ahnung, warum er log. Immerhin konnte ihm eine Lüge gerade in diesem Zusammenhang Lüge eine Menge zusätzlichen Ärger einbringen. Und doch konnte er auf einmal nicht anders. Zuzugeben, dass ihn seine Arbeit zu sehr in Anspruch genommen hatte, kam ohnehin nicht in Frage in einer Phase, in der seine Frau immer nachdrücklicher darauf bestand, dass er seinen Teil der Verantwortung übernahm. Dass er Nina in den Kindergarten brachte. Zum Turnen fuhr. Bei einer Freundin abholte. Solche Dinge.
„Und?“
„Es gibt mehrere Hunde, die in Frage kommen.“
Falls sie irgendwelche Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Behauptung hegte, gelang es ihr zumindest ausgezeichnet, sich nichts davon anmerken zu lassen. „Okay“, sagte sie, „dann geht das also klar.“
Verhoeven sah sie nicht an, als er nickte.
„Prima. Dann schlage ich vor, dass du jetzt zu Abend isst, damit wir anfangen können.“
Er hob überrascht den Kopf. „Anfangen womit?“
Silvie verdrehte die Augen. „Mit den Kuchen für die Feier in Ninas Kindergarten“, sagte sie und verschwand in der Küche.
Verhoeven blickte ihr nach. Er erinnerte sich durchaus, dass sie über eine Geburtstagsparty gesprochen hatten. Und auch, dass er in einem beispiellosen Anfall von Familiensinn zugestimmt hatte, seiner Frau beim Backen zu helfen. Allerdings war er insgeheim davon ausgegangen, dass Silvie ohne ihn anfangen würde, wenn es später wurde. Dass sie nicht ernsthaft von ihm erwartete, um zehn
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