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Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Titel: Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Fennrichs Charakter vollkommen von der Hand zu weisen.
    War Jasper Fennrich vielleicht wirklich ein netter, verständnisvoller Mensch gewesen? Oder doch ein Sadist, der die selbst gebastelten Schmetterlinge seiner Frau mit der Faust zerquetschte, wenn ihn die Wut packte?
    „Diese ganze Sache wird immer mysteriöser“, murrte Winnie, indem sie einhändig mit dem Sicherheitsgurt kämpfte. „Je mehr Informationen wir bekommen, desto mehr Abgründe tun sich auf. Abgründe und Widersprüche.“
    Sie hielt die Luft an, als sich ihre verletzte Hand zwischen Gurtschnalle und Sitz verfing. Doch der Schmerz verebbte schnell. Die Wunden begannen bereits zu verheilen. Als der Gurt endlich saß, startete sie den Wagen und fuhr los.
    Und was jetzt?, dachte sie, als sie das Ortsausgangschild passierte. Zur Hütte und sehen, ob die Kollegen schon fündig geworden sind? Oder zurück ins Präsidium? Unschlüssig fuhr sie rechts ran, wobei ihr in einiger Entfernung ein weiteres Schild auffiel. Es war blau und zeigte eine Feuerstelle mit einem Dach darüber und dazu einen dicken schwarzen Pfeil.
    Der Grillplatz, fuhr es ihr durch den Sinn. Hier ist Viola verschwunden!
    Sie ließ den Wagen stehen und folgte dem Pfeil, der sie nach etwas mehr als zweihundert Metern zu einer Art Schutzhütte führte, die versteckt unter hohen Bäumen lag. Links davon befand sich eine große, gemauerte Feuerstelle. Brandrückstände verrieten, dass sie erst kürzlich benutzt worden war. Winnie stemmte die Hände in die Hüften und spähte zum nahen Waldrand hinüber. Viola Krempinskis Klasse hatte eine Art Exkursion veranstaltet, das wusste sie aus der Akte. Naturkunde und belegte Brote. Käfer und Käseschnittchen.
    Vor ihrem inneren Auge erschienen Kinder in bunten Kleidern, die durch das lichte Unterholz streiften, um Blätter und Beeren zu sammeln. Sie sah Mädchen, die ihre Finger quiekend vor Schreck und Vergnügen nach einem sich windenden Regenwurm ausstreckten. Und Jungen in Baumwollshorts, die auf Grashalmen pfiffen. Es hatte ein außergewöhnlich mildes und zeitiges Frühjahr gegeben, in diesem Jahr, als Viola verschwunden war. Daher auch die Ringelsocken …
    Wo würde ich warten, wenn ich ein Kind entführen will?, überlegte Winnie. Dass der Täter über gute Ortskenntnisse verfügt haben musste, stand außer Zweifel. Aber wo war die Chance am größten, eines der Mädchen allein zu erwischen?
    Langsam ging sie auf die Bäume zu . Und fast glaubte sie, den Duft von Wurstbroten und frischen Äpfeln wahrzunehmen. Duftgewordene Vergangenheit.
    Du musst das unbedingt besser trennen, schalt sie sich im Stillen . Das alles ist mehr als ein Vierteljahrhundert her!
    U nter ihren Füßen knackten dürre Zweige, und in einer Senke linkerhand verrieten mehrere zusammengeknüllte Taschentücher, dass die Stelle von den Besuchern des Grillplatzes als Toilette missbraucht wurde. Die Luft ringsum roch dumpf, nach vertrockneten Blättern und Fäkalien.
    Winnie blieb stehen. Die Feuerstelle war von hier aus nicht mehr zu sehen, nur das Dach der Hütte schimmerte durch das Laub der Bäume. Wie groß mochte eine zweite Klasse damals in den Siebzigern gewesen sein? Zwanzig Schüler? Fünfundzwanzig? Egal, dachte sie, jedenfalls war es für die Lehrerinnen unmöglich, alle Kinder auf einmal im Auge zu behalten. Nicht die ganze Zeit. Und wenn eines von ihnen über einen ausgepr ägten Freiheitsdrang verfügt hätte. Oder Forschergeist …
    Ihre Gedankenspiele ließen ein neues Bild vor ihrem inneren Auge erstehen: Ein zierliches Mädchen mit Brille und einer Art Drahtkorb in der Hand. Es bückt sich, um etwas aufzuheben und betrachtet seinen Fund anschließend eine Weile schweigend. Dann geht es weiter, den Blick fest und ernsthaft auf den moosigen Untergrund gerichtet. Die helle Strickjacke leuchtet durch das frische Laub, das Kind bleibt erneut stehen, bückt sich, geht weiter und wird dabei kleiner und immer kleiner, bis es ganz verschwunden ist.
    Winnie kniff angestrengt die Augen zusammen, doch das Bild hatte sich bereits wieder verflüchtigt. Zurück blieb das lichte Unterholz. Sträucher. Und Laub. Die hoheitsvolle Stille des Waldes. Doch nur Sekunden später peitsche das Geräusch eines knackenden Zweiges mitten durch die majestätische Ruhe. Das Geräusch eines Zweiges, der unter dem Gewicht eines Menschen brach.
    Winnie fuhr herum und sah Lübke, der ein paar Meter hinter ihr an einem umgestürzten Baum lehnte. Groß und dunkel. Fast wie Gert Fröbe in

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