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Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition)

Titel: Die Jahre am Weiher: Der zweite Fall für Winnie Heller und Hendrik Verhoeven (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Ende …
    Dr. Lampert hatte einen Kasten mit Filzstiften mitgebracht. Sie ging neben der Vierjährigen, die sich wieder an den Tisch gesetzt hatte, in die Knie und stellte den Kasten auf den freien Stuhl neben sie. Wie ein konditionierter Hund griff das Mädchen hinein, nahm ein paar Stifte heraus, betastete sie der Reihe nach und legte dann einen nach dem anderen vor sich auf die Tischplatte wie einen kostbaren Schatz. Zwischendurch suchten ihre Augen Verhoeven, als erwarte sie seine ausdrückliche Erlaubnis, weitermachen zu dürfen. Zu malen. Etwas Normales zu tun. Ein Kind zu sein.
    Dr. Lampert legte einen Stapel Kopierpapier vor sie hin. „Malst du gern?“
    Nicken.
    Verhoeven lächelte. „Malst du etwas für uns?“
    Corinna antwortete nicht, sondern griff nach einem der Stifte. Dann rundete sich ihre Hand von oben über das Blatt.
    Eine Linkshänderin, dachte Verhoeven. Und gegen seinen Willen musste er an Dominik Rieß-Semper denken, Ninas dicken Kavalier, der ebenfalls Linkshänder war und obendrein die bemerkenswerte Fähigkeit besaß, die Farbe eines Marmorkuchenstücks ganz allein am Geschmack zu erkennen. Aus den Erzählungen seiner Frau wusste Verhoeven, dass Dominiks Eltern akribisch darauf achteten, dass ihr Sohn bereits jetzt, im Vorschulalter, jede Fehlstellung seiner zukünftigen Schreibhand vermied. Dass der Kindergarten eine Linkshänderschere anschaffte. Und einen Linkshändermalblock, bei dem die Spiralen auf der anderen Seite waren.
    Zugleich sah er zu , wie Corinna Schilling den Stift in geschickten Bewegungen über das Papier führte. Auf seinem Gesicht brannte der Blick Dr. Lamperts. Als er kurz zu ihr hinüber sah, bemerkte er, dass ihre Lippen lautlose Worte formten.
    Gehen Sie jetzt.
    Lassen Sie dieses Kind eine Weile in Ruhe. Und lassen Sie uns unsere Arbeit tun.
    Vertrauen Sie mir.
    Doch Verhoeven ignorierte ihre stummen Bitten und sah stattdessen die Zeichnung an, die Corinna Schilling gemacht hatte. Eine typische Kinderzeichnung. Ein krummes Haus mit Schornstein, im Garten ein Baum, einer von der wattigen Sorte. Die Sonne rechts oben im Eck. Ihre Strahlen reichen bis zum Dach des Hauses. Am blauschraffierten Himmel eine Vogelsilhouette.
    Augenblicklich war Corinna am unteren Bildrand zugange. Gründe Striche, dich an dicht. Rasen …
    „Das ist ein wirklich hübsches Bild.“
    Die himmelblauen Augen blickten zu ihm auf.
    „Möchtest du später auch so ein Haus haben? Mit einem Garten drum herum?“
    Nicken.
    Ein Garten und eine grün-weiß gestreifte Hollywoodschaukel, dachte Verhoeven mit einem bitteren Lächeln . Marianne Siemssen, eine Frau, der sie im vergangenen Jahr im Rahmen einer anderen Mordermittlung begegnet waren, hatte einmal etwas zu ihm gesagt, das ihn seither nicht mehr losließ: Ich habe sechsundzwanzig Jahre meines Lebens verloren, weil ich mir niemals eine Hollywoodschaukel gewünscht habe . Ist so was vorstellbar? Sie hatte ihn angesehen und dabei ihr hintergründiges, von altem Schmerz überglänztes Lächeln gelächelt. Dann war sie in ihre Zelle zurückgekehrt, genau wie Jasper Fennrich gestern. Doch im Unterschied zu Marianne Siemssen hatte Fennrich sich dazu entschlossen, nicht auf seinen Prozess zu warten. 
    Verhoeven tastete nach dem Kragen seines Hemdes, der sich eng anfühlte. „Und das da, was ist das?“, wandte er sich wieder an Corinna Schilling. „Ist das ein Hund?“
    Nicken.
    Er ging in die Knie, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein. „Ich habe auch einen Hund. Er heißt Buckel.“
    Sie lachte. Als ob jemand ein Licht angeknipst hätte, das gleich darauf wieder verlosch.
    „Könntest du eventuell noch ein Bild für mich malen?“ Aus irgendeinem Grund hatte er Angst, dass sie sagen würde, sie sei müde. Sie habe keine Lust mehr.
    Doch Corinna Schilling sagte nichts dergleichen, sondern griff bereitwillig wieder nach dem grünen Stift.
    „Ich finde, Sie sollten jetzt wirklich gehen“, setzte Dr. Lampert an, doch er brachte sie mit einer knappen Geste zum Schweigen.
    Bitte! Nur ein paar Minuten noch. Es könnte helfen. Verstehen Sie?
    „Kannst du mir ein Bild von dem Zimmer malen, in dem der Onkel mit dir gespielt hat?“
    Corinna Schilling sah aus, als wisse sie nicht, wie sie seinem Ansinnen begegnen solle. Ob sie ablehnen dürfe. Oder verstand sie am Ende gar nicht, was er von ihr wollte?
    „Du erinnerst dich doch an dieses Zimmer, nicht wahr?“
    Sie nickte wieder.
    „Malst du es für mich auf, damit ich mir vorstellen kann, wie es

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