Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
Die Fähren transportierten jede Menge verschreckte Flüchtlinge und Nachhutsoldaten.
Die Evakuierung lief nach Plan. General Francis Sherman zog kräftig an seiner Zigarre. Die Glut leuchtete rot in der Dunkelheit. Er war fast sechzig Jahre alt, aber noch gut in Schuss. Sherman konnte mit Stolz vermelden, dass er es bei einem Fitnesstest mit jedem achtzehnjährigen Rekruten aufnehmen konnte. Nun war er froh darüber. Er hatte fast zwei Tage nicht geschlafen, und die Müdigkeit haute ihn fast um. Doch vor der Ruhe kam die Arbeit.
» Wann wird die letzte Ladung über den Kanal sein?«, fragte er und blies ein Rauchwölkchen in die Luft.
» In höchstens einem Tag, Sir«, sagte Commander Barker. Er war der Marineoffizier, dem die Frachtkähne unterstanden, die das Einsatzkommando geschickt hatte, um die Flüchtlinge fortzubringen. » Es gibt keine Probleme.«
» Und die Brücken?«, fragte Sherman.
» Wir bringen die Demontageladungen gerade an, Sir«, sagte Colonel Dewen von der US Army. » In einer halben Stunde sind wir im grünen Bereich. Dann brauchen Sie es nur zu sagen, und wir blasen sie in die Luft.«
» Wir erwarten doch keinen weiteren Bahn- oder Straßenverkehr?«
» Laut Plan nicht, Sir, aber man weiß ja nie…«
» Schicken Sie ein paar Fähren zur El-Ferdan-Kreuzung rauf; und auch nach El Qantara. Falls irgendwelche Zivilisten auftauchen, nachdem wir die Brücken in die Luft gejagt haben, holen wir sie damit rüber.«
» Ja, Sir.«
» Die Pläne haben noch einen Haken, General«, sagte Sergeant Major Thomas, ein narbiger Veteran, der in Vietnam, auf Grenada und beim Unternehmen Wüstensturm dabei gewesen war. » Die Flüchtlinge…Es sind mehr als wir dachten. Wir werden nicht genug Proviant und Unterkünfte für alle haben.«
» Verflucht nochmal«, sagte der General mit gerunzelter Stirn. » Tja, daran können wir auch nichts ändern; jedenfalls nicht im Moment. Verteilen Sie das, was wir haben, und fordern Sie mehr an.«
» Mach ich, Sir.«
» Commander, Colonel, kommen Sie doch bitte mal mit.« Sherman bedeutete den beiden Offizieren, ihm zu folgen. Er führte sie zu einem getarnten Zelt an einem Behelfskai, den die Pioniere gebaut hatten. Das Zelt war gut ausgeleuchtet. In der Nähe summte ein Generator. Die Klänge der Dieselmotoren, die Rufe der Soldaten und das tschopp-tschopp-tschopp der Hubschrauberrotoren über ihnen am Himmel zwangen den General, etwas lauter zu sprechen, um gehört zu werden.
» Gentlemen«, begann er und begutachtete eine laminierte Landkarte der Umgebung. » Taktisch sind wir in einer gesunden Position.«
Um zu verdeutlichen, was er meinte, deutete er auf die dünne blaue Linie, die auf der Landkarte den Suezkanal darstellte.
» Wir sind nur schlappe acht Kilometer von El Ferdan entfernt. Das ist der wahrscheinlichste Überquerungsort für Zivilisten, die wir vielleicht übersehen haben. Wenn dort welche aufkreuzen, können wir sie leicht über den Kanal schaffen. Der Tunnel zum Süden und der Übergang weiter nördlich werden dann demontiert sein, aber wir lassen einen kleinen Trupp zurück, der an beiden Stellen nach Überlebenden Ausschau hält. Der Kanal selbst ist unser kostbarstes Verteidigungsinstrument.« General Sherman faltete die laminierte Landkarte zusammen. Unter ihr lag eine weitere. Sie deckte weniger Boden ab und zeigte Einzelheiten wie die Eisenbahnbrücke– die längste der Welt–, die auf dem fein gerasterten Satellitenbild deutlich zu erkennen war. » Wenn wir in Kapstadt eines gelernt haben«, fuhr er fort, » dann dies: Überträger schwimmen nicht gern. Während wir uns hier unterhalten, denken unsere Eierköpfe darüber nach, was dies bedeuten kann. Ich persönlich halte sie einfach für wasserscheu. Auf jeden Fall haben wir, wenn die Brücken erfolgreich demontiert sind, den Mittleren Osten erfolgreich vom infizierten Afrika abgeriegelt. Sind die Seaguards in Stellung gegangen, Commander?«
» Ja, Sir. Kampfgruppen sind vor jedem größeren Hafen des Kontinents stationiert. Die Briten halten Nordafrika in Schach. Ein Einsatzkommando kontrolliert das Nildelta, ein anderes liegt vor Tunesien. Deutschland hat gestern Schiffe in Marsch gesetzt. Sie sind noch unterwegs, aber wenn sie ankommen, gehen sie in der Straße von Gibraltar und vor Marokko in Stellung. Wir haben Kapstadt, Port Elizabeth, Mombasa und das Kongodelta blockiert. Die Kampfeinheiten der Reagan dampfen in Richtung Rotes Meer. Sie müssten in dreißig Stunden dort
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