Die Jahre der Toten: Roman (German Edition)
einen Grund hatte, Gewehrmunition zu sparen. Er hatte nur noch neunundzwanzig Schuss. Er stellte die Waffe an der Eisenwand ab, zog seine Pistole, richtete sie nach unten und wartete ab.
Das Alarmsystem des Zerstörers ertönte in allen Quartieren. Das ständige Wuuhuu trieb die verängstigten Flüchtlinge noch weiter von dem offenen Schott weg, das unter Deck führte. Damit man ihn überhaupt hörte, schrie Decker, um den Lärm zu übertönen: » Niemand bleibt allein! Bewegt euch nur in Zweiergruppen! Wer Tote und Verletzte findet, weiß, was er zu tun hat! Sorgt dafür, dass sie nicht nach oben kommen. Verstanden?«
Er wurde unterbrochen, als eine atemlose Gestalt auf ihn zulief.
» Warte, Jack!«, rief Rebecca. » Hier oben sind Verwundete! Ich muss ins Lazarett runter…«
Decker hob eine Hand, um jedem Protest zuvorzukommen.
» Nein. Du bleibst hier oben.«
Rebecca blitzte ihn empört an. » Ich muss ins Lazarett, Jack…«
» Du bleibst an Deck, Becky«, sagte Decker mit eisenharter Stimme. » Diese Dinger machen keine Gefangenen.«
Er schien gleich darauf einlenken zu wollen, denn sein Blick gab schon nach, als er ihre entschlossene Miene sah.
Brewster lauschte dem Wortwechsel. Sein Zeigefinger am Abzug fing an zu jucken.
» Na, komm schon, Decker«, sagte er und fuhr mit dem Zeigefinger über den Lauf seiner Beretta.
Decker musterte die Soldaten kurz, dann lenkte er ein. » Was brauchst du aus dem Lazarett?«, sagte er. » Mach schnell! Wir holen es dir.«
» Handschuhe, Verbände, Antiseptika und Morphium«, ratterte Rebecca herunter. » Damit komme ich aus.«
» Verstanden.« Decker wandte sich mit der Pistole in der Hand dem Schott zu. » In Ordnung, wartet auf mein Zeichen.«
Brewster konzentrierte sich und wartete auf den Befehl.
» Jetzt!«
Brewster schwang sich durch die Tür und hielt nach Zielen Ausschau. Der Gang war leer. Er ging hinein, die Pistole in der ausgestreckten Hand. Hinter ihm kamen nach und nach die anderen Soldaten, schwärmten aus, gaben sich gegenseitig Deckung. Sie drangen langsam tiefer ins Innere des Schiffes vor.
Als sie den ersten Quergang ohne Zwischenfall erreicht hatten, meldete sich Decker erneut. » Hier teilen wir uns. Eine Hälfte nach rechts; die andere scharf nach links. Ausführung!«
Brewster befand sich vor Darin, Decker und einem Mann mit einer MP -5. Sie bogen um eine Ecke und gingen ungefähr in die Richtung zum Lazarett. Brewster bezweifelte nicht, dass Decker sämtliche Gegenstände, die Rebecca brauchte, erbeuten wollte, bevor sie den Rest dieser Ebene durchquert hatten. Vor ihnen hing eine schwere Tür auf. Brewster deutete stumm auf sie und sah aus den Augenwinkeln, dass Decker nickte. Die vier Männer begaben sich zu der Tür und konzentrierten sich. Dann schwangen sie sich, die Waffen im Vorhalt, um die Ecke. Der Raum war leer, doch Brewster sah Blutflecke auf dem Boden und an den Wänden. Irgendjemand war hier runtergegangen.
Sie schlossen die Tür so leise wie möglich, denn ihnen war bewusst, dass jedes Geräusch unerwünschte Aufmerksamkeit auf sie ziehen konnte. Darins Stiefel trat gegen eine leere Patronenhülse, die vor ihnen durch den Gang kollerte.
» Sie haben geschossen«, flüsterte er.
» Das war wahrscheinlich der Krach, den wir gehört haben«, sagte Brewster zustimmend. » Und ich dachte, da ist nur jemand in der Vorratskammer zugange.«
» Klappe halten und aufpassen«, sagte Decker und übernahm die Führung.
» Links sind ein paar Zivilistenquartiere«, sagte der Seemann und deutete mit dem Kopf auf eine andere Tür.
Sie stand zwar nicht wie die andere halb offen, aber einen Spalt breit. Licht fiel in den kalten grauen Gang hinaus. Die vier Männer erreichten schweigend die Tür und bereiteten sich darauf vor, noch einen Raum zu überprüfen.
Decker ging gegenüber dem Eingang in Stellung und lugte durch den Spalt.
» Siehst du was?«, hauchte Brewster.
» Schnauze«, sagte Decker warnend. Sein Auge wurde von einem dünnen Lichtstreifen erhellt, als er das wenige musterte, was der Raum ihm zeigte. » Ich sehe nichts. Gehen wir rein. Bereit?«
» Bereit.« Brewster hob seine Pistole.
Decker stieß die Tür auf. Die vier Soldaten traten mit erhoben Waffen ein und suchten den Raum nach Zielen ab. Niemand sprang sie an. Tatsächlich enthielt der Raum nicht einmal viele unbelebte Dinge– einige Kojen, einen Kartentisch und ein paar Säcke in der Ecke waren alles, was hier Platz belegte.
» Da«, sagte Darin. »
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