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Die Jahre mit Laura Diaz

Die Jahre mit Laura Diaz

Titel: Die Jahre mit Laura Diaz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Fuentes
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im Gegenteil, du bist im Casino von Xalapa ganz bescheiden aufgetreten, und gerade das hat mich für dich eingenommen, du hast dich nicht vor mir aufgespielt, um mich zu beeindrucken, ich war schon vorher von dem tapferen, erregenden Mann beeindruckt, den ich mir vorstellte, in meiner Phantasie bist du an die Stelle meines Bruders Santiago getreten, der sich heldenhaft geopfert hatte, du hattest überlebt, um den Kampf im Namen meines Blutes fortzusetzen, es war nicht deine Schuld, wenn du meine Wunschträume nicht erfüllen konntest, daran war allein ich schuld, hoffentlich können wir, du und ich, diesmal ohne Illusionen zusammenleben.« – »Nie habe ich Liebe von dir gespürt, Laura, nur Respekt, Bewunderung und Hirngespinste, keine Leidenschaft, Leidenschaft hält sich nicht auf Dauer, wohl aber Respekt und Bewunderung. Wenn auch das noch verloren geht, was bleibt uns dann, Laura?« – »Daß wir ohne Leidenschaft und Bewunderung leben, würde ich sagen, Juan Francisco, wohl aber mit Respekt, Respekt dafür, wer wir wirklich sind, ohne Illusionen, Respekt für unsere Kinder, die keine Schuld tragen und die wir in die Welt gesetzt haben, ohne sie um Erlaubnis zu fragen.« – »Soll das die Vereinbarung sein zwischen dir und mir?« _ »Nein, etwas mehr: Versuche mir die Angst zu nehmen, ich habe Angst vor dir, weil du mich geschlagen hast, schwöre mir, daß du mich nie wieder schlägst, was auch immer zwischen dir und mir geschieht, du kannst dir nicht vorstellen, welch furchtbaren Schrecken eine Frau spürt, wenn ein Mann mit Schlägen über sie herfällt. Das ist meine Hauptbedingung. Mach dir keine Sorgen, ich hatte geglaubt, ich wäre stärker, als ich wirklich bin, entschuldige.«
    Dann kam die Zeit für ein paar klägliche Zärtlichkeiten, und sie gestand ihm aus Dankbarkeit einige Liebkosungen zu, bevor sie beschämt reagierte und sich im Bett aufrichtete. »Ich darf dich nicht betrügen, Juan Francisco, damit muß ich anfangen, ich will dir alles erzählen, was ich erlebt habe, seit du die Nonne Gloria Soriano angezeigt und mir auf der Straße, als ich fortwollte, ins Gesicht geschlagen hast. Du sollst wissen, mit wem ich geschlafen habe, wen ich begehrt und bei wem ich Lust empfunden habe, du sollst ganz genau erfahren, was alles ich getan habe, während ich weit weg von dir war, damit du mir am Ende auf eine Frage antworten kannst, auf die du noch keine Antwort hast: Warum hast du mich nicht nach meinem Willen beurteilt, dich zu lieben, statt mich zu verurteilen, weil ich dich betrogen habe? Das frage ich dich jetzt, Juan Francisco, bevor ich dir alles erzähle, bevor alles wieder geschieht, was schon einmal geschehen ist: Wirst du mich auch diesmal nicht nach meinem Willen beurteilen, dich zu lieben, zu dir zurückzukehren? Oder bist du von nun an bereit, mich nicht zu verurteilen, wenn ich dich betrüge? Hast du den Mut, mir zu antworten? Ich bin ein gutgebautes Weib, einverstanden, aber gib acht, was ich dich frage: Wirst du den Mut haben, mich nicht zu verurteilen, wenn ich dich betrüge – beim ersten oder beim nächsten Mal? Das weißt du nicht, nicht wahr? Vor allem wirst du nie wissen, ob das, was ich dir gestehe, die Wahrheit ist, oder ob ich es gerade erfunden habe, um mich an dir zu rächen, wenn ich dir auch Namen und Adressen angeben kann und du nachprüfen kannst, ob ich dich belüge oder dir die Wahrheit sage, welche Liebhaber ich hatte, seit ich von dir fortgegangen bin, aber das ändert nichts an dem, was ich gerade von dir verlangt habe: Wirst du mich nicht wieder verurteilen, nie wieder? Das verlange ich von dir als Vergeltung im Namen der Nonne, die du angezeigt, und im Namen der Sache, die du verraten hast. Ich werde dir verzeihen, wirst du auch mir verzeihen? Bist du dazu fähig?«
    Auf Lauras Worte folgte ein langes Schweigen, das ihr Mann erst brach, nachdem er aufgestanden war und sich den blauweiß-gestreiften Pyjama zugeknöpft hatte, ins Badezimmer gegangen war, sich etwas Wasser aus der Karaffe eingegossen, getrunken und an den Bettrand gesetzt hatte. In der Regenzeit war das Zimmer kalt, und aufs Dach trommelte ein immer dichterer und heftigerer Hagel. Durchs offene Fenster drang ein gerade wiedererwachter Jacaranda-Duft herein, der durch seine Sinnenfreude intensiver wirkte als die sich bauschenden Gardinen und die winzige Pfütze, die sich unter dem Fenster bildete. Endlich ließen sich die Worte Juan Franciscos ganz langsam vernehmen, als wäre er ein Mensch ohne

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