Die Jahre mit Laura Diaz
zwischen ihnen allen im Kreis. »Das sind Anweisungen…«
»Das ist am zweckmäßigsten…«
»Natürlich ist das Gemeindeland, aber die Strandhotels versorgen die ganze Gemeinde mit Arbeit…«
»Das Krankenhaus, die Schule, die Straße, das alles erschließt Ihr Gebiet besser, Herr Abgeordneter, vor allem die Straße, die an Ihrem Land vorbeiführt…«
»Also, ich weiß ja, daß es eine komische Idee der Señora ist, wir tun ihr den Gefallen, was verlieren wir dabei? Der Herr Minister wird uns zeitlebens dafür dankbar sein…«
»Nein, es ist in höherem Interesse, diesen Streik zu beenden. Damit ist Schluß, verstehen Sie mich? Auf gesetzlichem Weg und durch ein Schlichtungsverfahren, ohne Streit, kann man alles erreichen. Bedenken Sie, Herr Abgeordneter, die Daseinsberechtigung der Regierung besteht darin, daß es Stabilität und sozialen Frieden in Mexiko gibt. Das ist heute revolutionär.«
»Ich weiß, daß euch Präsident Cârdenas eine Genossenschaft versprochen hat, Companeros. Und die kriegen wir auch. Es ist nur so, daß die Produktionsbedingungen eine starke Führung verlangen, die auf nationaler Ebene mit der CTM und der Partei der Mexikanischen Revolution verbunden ist. Sonst, Genossen, geratet ihr wieder in die Fänge der Pfaffen und Latifundisten, wie immer.«
»Habt Vertrauen.«
Wollte er denn nicht ein Büro beantragen, das ein bißchen großartiger war?
»Nein«, antwortete Juan Francisco auf Dantöns Frage, »so ein bescheidener Raum ist genau der richtige für mich, in dem kann ich besser arbeiten. Damit beleidige ich keinen.«
»Aber ich glaube, die Moneten sind dazu da, um damit Eindruck zu machen.«
»Dann werde Börsenmakler oder Unternehmer, denen verzeiht man alles.«
»Warum?«
»Sie schaffen Arbeitsplätze. So lautet die Formel.«
»Und du?«
»Wir alle müssen eine Rolle spielen. Das ist das Gesetz der Welt. Welche Rolle gefällt dir, mein Sohn? Politiker, Unternehmer, Journalist, Offizier…?«
»Keine, Vater.«
»Was willst du dann tun?«
»Was für mich am besten ist.«
XVI. Chapultepec-Polanco: 1947
Während Miguel Alemân im Dezember 1946 das Amt des Präsidenten übernahm, kam es im Haus an der Avenida Sonora zu einem erstaunlichen Ereignis. Tante Maria de la O fand die Sprache wieder. »Er ist ein Veracruzaner«, sagte sie über den neuen, jungen und stattlichen Staatschef, den ersten Zivilisten, der nach den vielen Militärs Präsident wurde, die sich an der Macht abgelöst hatten. Alle, Laura Dïaz und Juan Francisco, Santiago und Danton, waren verblüfft, doch damit endeten die Überraschungen längst noch nicht, für die das Tantchen sorgte, denn ohne jeden ersichtlichen Grund fing sie an, trotz der geschwollenen Knöchel ständig La Bamba zu tanzen.
»Alter schützt vor Torheit nicht«, spottete Danton.
Schließlich, zu Anfang des nächsten Jahres, gab Maria de la O ihre sensationelle Neuigkeit bekannt.
»Schluß mit dem Trübsinn. Ich gehe nach Veracruz. Ein alter Freund aus dem Hafen hat mir vorgeschlagen, daß wir heiraten. Er ist in meinem Alter, wenn ich auch nicht weiß, wie alt ich bin, weil meine Mama mich nicht hat registrieren lassen. Ich sollte schnell groß werden, damit ich bei ihrem lustigen Leben mitmachen konnte. Die alte Ziege, hoffentlich schmort sie in der Hölle. Für mich steht allein fest, daß Matias Matadamas, so heißt mein Verehrer, den Danzôn wie ein Engel tanzt und mir versprochen hat, mich zweimal in der Woche zum Tanzen auf den Hauptplatz mitzunehmen, mitten unter die Leute dort.«
»Niemand heißt ›Matïas Matadamas‹ – ›Damentöter‹«, erklärte der Spielverderber Danton.
»Rotznase«, widersprach das Tantchen. »Der heilige Matthias ist der letzte Apostel, der nach der Kreuzigung an die Stelle des Verräters Judas getreten ist, damit das Dutzend wieder voll war. Damit du's weißt.«
»Apostel und Verlobter, wenn's Matthäi am letzten ist.«
Danton lachte. »Als wäre Jesus ein Hausierer, der die Heiligen im Dutzend billiger verkauft.«
»Du wirst schon erleben, ob die letzte Stunde nicht manchmal die erste ist, du Ungläubiger«, schimpfte Maria de la O, die eigentlich nicht zum Schimpfen, sondern zum Tanzen aufgelegt war. »Ich sehe mich schon, wie ich mich an ihn drücke«, erzählte sie mit gefühlvoller, träumerischer Miene weiter, »Wange an Wange, wie wir auf einem Ziegelstein tanzen, denn so muß man den Danzön tanzen, dabei bewegt man den Körper fast überhaupt nicht, bloß die
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