Die Jahre mit Laura Diaz
Geld, er konnte nicht jeden Sonntag als Schmarotzer dabeisein, er mußte auch einmal zahlen: »Ich habe neue Freunde, Papa, erstklassige Leute, du willst doch nicht, daß ich dich und die Familie schlecht dastehen lasse? Du siehst ja, daß ich die ganze Woche meine Pflicht tue, ich fehle nie um acht im Lehrsaal, lege die Prüfungen für das Diplom ab, immer mit neun und zehn Punkten, und ich habe ein gutes Gedächtnis für Gesetze. Ich schwöre dir, Vater, was du mir borgst, gebe ich dir mit Zinseszins zurück, ich schwöre es dir beim Allmächtigen… Wann habe ich dich je einmal enttäuscht?«
Die ersten Logen des Hippodroms wurden von Generalen besetzt, die sich nach ihren eigenen, nunmehr längst vergangenen Ritten zurücksehnten, danach kamen einige Unternehmer, deren Ursprünge noch weniger weit als die der Militärs zurücklagen, paradoxerweise hatten sie sich durch die radikalen Reformen des Präsidenten Lâzaro Cârdenas bereichert: Seine Reformen hatten dazu geführt, daß die Landarbeiter ihre Haziendas verließen und als billige Arbeitskräfte in die neuen Fabriken von Monterrey, Guadalajara und Mexico-Stadt abwanderten. Weniger paradox war, daß die neuen Vermögen durch die kriegsbedingte Nachfrage, durch Warenaufkäufe und Ausfuhren von strategischen Gütern, durch die steigenden Nahrungsmittelpreise entstanden.
Zwischen allen Gruppen lief Bruno Pagliai hin und her, ein zwergenhafter, lächelnder, sorgfältig gekleideter Italiener, Geschäftsführer des Hippodroms und unwiderstehliches Schelmengemüt, der die bäuerische Geriebenheit auch noch des verschlagensten Generals oder mexikanischen Millionärs in den Schatten stellte, was diese schamrot werden ließ. Die Welt von La Votiva, des »Pfarrers« Lopez Landa und seiner Freunde, beanspruchte die Bar, die Sessel und die Tanzfläche des Clubs und überließ den Reichen die gesunde frische Luft des Hippodroms. Die Kinder der Generale und Unternehmer blieben ebenfalls am Rand, sie genossen kein hohes Ansehen und gehörten, wie die junge Chatis Larrazâbal sagte, zur »Plebs«. Und gerade dort entdeckte Danton eines Tages das schönste Mädchen, das er jemals erblickt hatte, seine Traumfrau.
»Die Traumfrau« war eine fremdländische – levantinische oder orientalische – Schönheit aus jener Erdenregion, die in den kleinen Büchern der Weltgeschichte von Malet und Isaac »Vorderasien« genannt wurde. Das »Vorderasien« der Magdalena Ayub Longoria ließ aus ihren scheinbaren Unvollkommenheiten – den zusammengewachsenen Augenbrauen, der markanten Nase, der quadratischen Kinnlade – den Kontrapunkt oder Rahmen für die träumerischen, samtenen, ausdrucksstarken Augen einer arabischen Prinzessin werden, unter Lidern, die ölig und erregend wie ein verborgenes Geschlecht waren. Ihr Lächeln war derart gefühlvoll, lieblich und offenherzig, daß es gerechtfertigt hätte, sie verschleiert in einen Serail zu stecken, wo sie vor allen verborgen gewesen wäre, außer vor ihrem Herrn. Sie war groß und schlank, doch ihre Figur kündigte hier und da auch kaum vorstellbare Rundungen an: So, mit diesen Worten, beschrieb Danton sie sich selbst.
Seine Phantasie stimmte ihm zu.
Er sah sie zum erstenmal, als sie an einem »Shirley Temple« nippte, und nannte sie fortan und für immer »meine Traumfrau.« Magdalena war die Tochter des syrisch-libanesischen Kaufmanns, eines »Türken«, wie man sie in Mexiko bezeichnete, Simon Ayub, der vor gerade erst zwanzig Jahren ins Land gekommen war und nun bereits ein riesiges Vermögen und das kitschigste neubarocke Haus der Colonia Polanco besaß. Wie hatte er sein Geld gemacht? Indem er seit der Zeit von Obregõn und Galles massenhaft Waren aufkaufte, deren Preise während des Krieges in die Höhe schössen, und indem er Sisalhanf exportierte, der für den Kampf der Alliierten von entscheidender Bedeutung war, er kaufte ihn billig von den yukatekischen Dorfgenossenschaften, um ihn anschließend um so teurer an die nordamerikanischen Unternehmen weiterzuverkaufen. Im Winter hatte er die Truppen der Yankees mit Gemüse versorgt, hatte pharmazeutische Betriebe gegründet, als die Gringos keine Arzneimittel mehr lieferten und es billiger war, sie in Mexiko zu produzieren. In Mexiko selbst hatte er Sulfonamide und Penizillin eingeführt. Er hatte den schwarzen Zwirn und vielleicht sogar das Aspirin erfunden. Darum nannte man ihn den Aspirin-Ayub, wobei man sich an jenen Revolutionsgeneral erinnern mochte, der die
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